Projekt 37258/01

Testen und Optimieren spezifischer Adsorbenzien für die präventive Behandlung von heimtückischen Kunststoffen

Projektdurchführung

Leibniz-Forschungsmuseum Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen bei der DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH
Herner Str. 45
44787 Bochum

Zielsetzung

PROBEMSTELLUNG
Die letzten zwei Jahrhunderte wurden durch die Verwendung von Kunststoffen bedeutend geprägt. Diese Materialien sind mittlerweile aus unserem industriellen, privaten und kulturellen Leben nicht mehr wegzudenken. Aus diesem Grund sind unter musealen Sammlungsgegenständen immer häufiger kunststoffbasierte Kulturgüter vorzufinden.
Gerade museale Objekte des industriellen Kulturerbes, wie die im Deutschen Bergbau-Museum Bochum, das weltweit größte Bergbaumuseum seiner Art, sind ohne Kunststoffe undenkbar. Der Erhalt und die Konservierung dieser musealen Kulturgüter stellen Museen in Zukunft vor Herausforderungen, denn die inhärente Instabilität der Kunststoffe führt zu einem mittelfristigen Zerfall der Objekte. Diesem Zerfall zu begegnen ist eine wichtige Zukunftsfrage im Umgang mit musealen Artefakten.
Bereits seit einiger Zeit versuchen Museen mit präventiven Maßnahmen museale Kunststoffobjekte zu schützen. Denn mit der Zeit kommt es bei bestimmten Kunststoffobjekten zu schädlichen Ausgasungen in die Umgebungsluft. Solche Kunststoffe werden als „heimtückische Kunststoffe“ (abgeleitet aus dem englischen von "malignant plastics") bezeichnet. Diese Ausgasungen in der Umgebungsluft schaden sämtlichen Museumsgegenständen beispielsweise metallischer Beschaffenheit und sind eine Gefahr für die Atemwege; die Berührung von kontaminierten Museumsobjekten kann durch den niedrigen pH-Wert und das hohe Oxidationspotential dieser Schadstoffe zu Verätzungen führen. Ungeschützt sind also gewisse Kunststoffobjekte im Museum eine Gefahr für sich selbst, andere Objekte und im Extremfall Museumspersonal.

ZIELSETZUNG DES VORHABENS
In der Regel versuchen Museen durch den flächendeckenden Einsatz von Sorptionsmitteln, sogenannten Adsorbenzien, die gefährdenden Stoffe aus der Umgebungsluft zu entziehen. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass der flächendeckende Einsatz von unspezifischen Sorbenzien sich negativ auf den Objektbestand auswirken kann. Unspezifische Sorbenzien sind imstande, aus der Umgebungsluft musealer Artefakte zwar schädliche Gase zu entziehen, aber eben auch für den Erhalt der Objekte entscheidende Kunststoffbestandteile [1].
Diese Erkenntnis macht es zwingend erforderlich spezifische Sorbenzien für Museen zu finden, welche der Umgebungsluft schädliche Gase entziehen, ohne dabei konservatorisch förderliche Bestandteile, beispielsweise Weichmacher, zu verändern.
Das Forschungsprojekt TESSA, „Testen und Optimieren Spezifischer Adsorbenzien für die Präventive Behandlung von Heimtückischen Kunststoffen“, setzt genau an dieser Entwicklungsfrage an und erforscht Sorptionsmittel mit spezifischer Wirksamkeit und optimiert sie für den Anwendungsbereich in Museen. In Zukunft soll ein eigenes Marktangebot für spezifische Sorbenzien speziell für die Anwendung im musealen Bereich zur Verfügung stehen.
Endziele des Projektes sind, die potenzielle gesundheitlichen Belastungen des Museumspersonals und die negativen Auswirkungen für Museumsobjekte durch heimtückische Kunststoffe zu reduzieren, und, letztendlich, die Bewahrung und Sicherung national wertvoller Kulturgüter durch die Entwicklung einer Strategie zum Schutz von Objekten und Menschen vor den Folgen anthropogener Immissionen.

UMWELTRELEVANZ
Polyvinylchlorid, Celluloseacetat, Cellulosenitrat und vulkanisiertem Kautschuk gehören zu den heimtückischen Kunststoffen; sie emittieren Salzsäure, Essigsäure, Salpetersäure bzw. Schwefelsäure beim Degradationsprozess. In einer 2020 abgeschlossenen Bestandsaufnahme im Deutschen Bergbau-Museum Bochum konnten zahlreiche heimtückische Kunststoffe identifiziert werden. Diese Situation ist typisch für Technikmuseen weltweit, und auch für Museen generell, die polymeren Materialien beherbergen.
Eine Lösung sind Sorbenzien, die die Schadgase aufnehmen können, und so deren Konzentration in der Umgebung reduzieren. Idealerweise sind diese Sorbenzien gezielt auf die genannten Schadgase abgestimmt, damit andere, für den Erhalt bedeutsame Substanzen, im Objekt verbleiben, um nicht die Degradation der Kunststoffobjekte zu beschleunigen.
Ziel dieses Forschungsprojektes ist die Einsatzmöglichkeit von spezifischen Sorbenzien zu untersuchen. Einmal benutzt, sollen spezifische Sorbenzien gezielt regeneriert werden können und somit mehrfach nutzbar sein. Haben Sorbenzien ihren maximalen Lebenszyklus erreicht, sollten sie ggf. neutralisiert werden können und sodann über den allgemeinen Hausmüll entsorgbar sein. Diese Aspekte der Nachhaltigkeit der Adsorptionsmittel werden im Projektverlauf ebenfalls ermittelt und auf Verbesserungspotentiale hin untersucht.

[1] Shashoua, Yvonne, Michael Schilling, and Joy Mazurek. “The Effectiveness of Conservation Adsorbents at Inhibiting Degradation of Cellulose Acetate.” In ICOM-CC 17th Triennial Conference Preprints, Melbourne, 15–19 September 2014, edited by J. Bridgland, 9. Paris: International Council of Museums, 2014.

Arbeitsschritte

Im Rahmen des Projekts TESSA wurde die Spezifität kommerzieller Sorbenzien gegenüber zwei unterschiedlichen Analyten-Typen – Säuren und Weichmachern – untersucht, die aus sogenannten „heimtückischen Kunststoffen“ wie Celluloseacetat (CA) und Cellulosenitrat (CN) emittieren. Ziel war es, spezifische Sorbenzien zu identifizieren, die präferiert Säuren gegenüber Weichmachern aufnehmen. Ein modellbasierter Versuchsaufbau ermöglichte es, Essigsäure und Dimethylphthalat (DMP) aus CA sowie Salpetersäure und Kampfer aus CN zu analysieren.
Die methodische Vorgehensweise umfasste drei Schritte: (1) das Aussetzen von Sorbenzien an gasförmigen Emissionen aus Kunststoffproben, (2) die Extraktion der Sorbate mittels Lösungsmittelbehandlung und (3) die quantitative Analyse der extrahierten Substanzen durch Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GCMS) und Ionenchromatographie (IC). Die entwickelte Methodik lieferte grundlegende Erkenntnisse, zeigte jedoch auch Einschränkungen, insbesondere bei Sorbenzien mit geringer Rückgewinnungsrate der Analyten. Bei der Identifizierung von potenziellen spezifischen Sorbenzien wurden daher im Rahmen des Projektes nur solche in Betracht gezogen, die eine hohe Rückgewinnungsquote gezeigt haben.

Ergebnisse

Die Ergebnisse mit natürlich gealterten CA zeigten, dass die meisten getesteten Sorbenzien sowohl Essigsäure als auch DMP aufnehmen. Dabei wurden gängige (wie z.B. Aktivkohle und Molekularsiebe 4 Å) und prospektive Materialien wie bestimmte Molecular Organic Frameworks untersucht. Die Sorbenzien Poly-A (Ionenaustauscher) und Natriumbicarbonat (auf Stahlgitter aufgetragen) zeigten eine hohe Spezifität für Essigsäure und eine vergleichsweise geringe Aufnahme von DMP.
Aufgrund des hohen methodischen Aufwands und den unterschiedlichen methodischen Anpassungen, die im Rahmen der Projektplanung aufgrund laufender Ergebnisse erforderlich waren, mussten die untersuchten Modelle auf zwei beschränkt werden. Aus diesem Grund konnten die Arbeiten an den geplanten Prototypen nur teilweise innerhalb des zeitlichen Rahmens des Projekts durchgeführt werden; die Messungen zu diesen Versuchen sind noch im Gange und werden über die Projektzeit hinaus publiziert werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Neben den Publikationen in peer-reviewed Journalen zur entwickelten Methodik und zur Spezifizität von Sorbenzien für die Lagerung von CA und CN, welche im Laufe 2025 erscheinen sollen, wurde bereits ein Ausstellungsbereich im Sinne dieses Projekts konzipiert und eingerichtet. Ziel ist es die Notwendigkeit von Projekten wie diesem, auch der nicht-Fachöffentlichkeit, zu vermitteln. Eine Ausstellungsvitrine, die sowohl wissenschaftliche als auch öffentlichkeitswirksame Aspekte verbindet, wurde vorbereitet, welche Besuchende in der Dauerausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum informiert. Die Vitrine präsentiert Sorbenzien und gefährdete Museumsobjekte aus CA und dient zugleich als Versuchsaufbau für Langzeitstudien.

Darüber hinaus sind Publikationen in anerkannten Fachzeitschriften sowie Fachvorträge auf internationalen Tagungen geplant, um die Zielgruppe der KonservierungswissenschaftlerInnen und RestauratorInnen zu erreichen. Perspektivisch sollen die Projektergebnisse auch kleinen und mittelständischen Museen zugänglich gemacht werden, z. B. durch praxisnahe Leitfäden (Leibniz Forschungsnetzwerk Kons/Rest). Diese Maßnahmen gewährleisten eine breite Nutzbarmachung der Forschungsergebnisse über die Projektlaufzeit hinaus.

Fazit

Das Projekt zeigte, dass verschiedene Sorbenzien Weichmacher aus Kunststoffobjekten in unterschiedlichem Umfang aufnehmen, was potentiell negative Auswirkungen auf deren Langlebigkeit haben kann. Durch die Identifizierung spezifischer Sorbenzien ermöglicht dieses Projekt die Anwendung eines präventiven Ansatzes zum Schutz gefährdeter Kunststoffe in musealen Sammlungen.
Das Projekt hat wesentliche Erkenntnisse zur Spezifizität kommerzieller Sorbenzien gegenüber Säuren und Weichmachern geliefert. So zeigten spezifische Sorbenzien, wie der Ionenaustauscher Poly-A und Natriumbicarbonat, eine bevorzugte Aufnahme von Säuren aus CA. Im Gegensatz dazu absorbieren gängige Sorbenzien vergleichsweise beträchtliche Mengen an Weichmacher.
Die im Rahmen des Projekts entwickelten Methoden und gewonnenen Erkenntnisse stellen eine Basis für weiterführende Forschungsarbeiten dar, um die Wirksamkeit und Langzeitwirkung der spezifischen Sorbenzien umfassend zu untersuchen. Zukünftige Studien sollten die Regenerierbarkeit und Langzeitwirkung dieser Materialien prüfen, um den Einsatz in der Praxis weiter zu optimieren. Ferner sollten in Langzeitstudien auch die quantitativen Auswirkungen von nicht spezifischen Sorbenzien auf die physikalischen Eigenschaften der Objekte untersucht werden.
Das Projekt bildet eine solide Basis für innovative Ansätze in der präventiven Konservierung und den Schutz kultureller Artefakte vor schädlichen Umwelteinflüssen.

Übersicht

Fördersumme

125.000,00 €

Förderzeitraum

01.05.2021 - 01.08.2024

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter