Die Form eines Windturbinenblattes nach dem Stand der Technik kann grob aus zwei Teilen bestehend angesehen werden. In etwa 80 % der Länge (von der Spitze hergesehen) sind aufgrund aerodynamischer Zusammenhänge so zu gestalten, dass ein möglichst hoher Anteil der Bewegungsenergie des Windes in ein Drehmoment gewandelt wird, das einem elektrischen Generator als Antrieb zugeführt wird. Für die inneren 20 %, die meistens in einen kreisförmigen Flansch enden, der zur Anbindung an die Nabe dient, beherrscht die Strukturmechanik (also z. B. eine sicher zu stellende Integrität der Struktur über die Lebensdauer von mehr als 20 Jahren) die Auslegung. Da der Flächenanteil dieses Teils nur etwa 4 % der gesamten Rotorfläche ausmacht, wurde auf die Einbeziehung aerodynamischer Güte oft verzichtet. In diesem Projekt soll ein „sehr dickes“ Rotorblattprofil - d.h. ca. 60 % der Länge (oft auch als Profiltiefe bezeichnet) machen diese „Dicke“ (oder Höhe) aus - entwickelt werden und die dadurch bedingte Erhöhung der Leistung soll quantifiziert werden.
Für eine genaue, aktuelle Kenntnis des Standes der Technik und Wissenschaft wurde eine ausführliche Literatur- und Patentrecherche durchgeführt. Vor allem letztere zeigte für uns überraschenderweise, dass einige Anlagenhersteller schon relativ lange (seit ca. 2004) einige solcher sehr dicken Profile patentrechtlich geschützt haben. Um eine kommerzielle Verwendung eines neuen Profils nicht von vornherein zu behindern, darf ein neu entwickeltes Profil diese Rechte nicht verletzen. In einem zweiten Schritt wurde der sogenannte geometrische Parameterraum unter Berücksichtigung praktischer Belange der einfachen und kostengünstigen Fertigung aufgespannt. Einige dieser Parameter umfassen die Form der Wölbungslinie, den Krümmungskreisradius der Nase, die Dicke der Hinterkante und andere. Danach wurde mit den Programmen Xfoil, MSES, ANSYS-Fluent und DLR-tau eine gewisse Anzahl von zweidimensionalen Strömungssimulationen durchgeführt, um das vielversprechendste Profil für eine Vermessung im Windkanal auszuwählen.
Die Bestimmung der Erhöhung der Leistung des Blattes kann jedoch nur durch eine voll-dreidimensionale Strömungssimulation erfolgen. Dafür wurde ein eigener, neuer aerodynamischer Blattentwurf „CIG10MW“ (CIG steht für China, India, Germany, den Herkunftsländern der Mitarbeiter, 10 MW für die Leistung des Rotors), entwickelt.
Eine Vermessung im Windkanal ist unerlässlich, da die systematischen (vor allem die der Turbulenzmodellierung) Ungenauigkeiten zu groß sind, um sich allein auf Simulation verlassen zu können. Diese wurde im großen, akustischen Windkanal der Deutschen WindGuard GmbH in Bremerhaven durchgeführt, wobei auch viele sogenannte „add-ons“ (wie z. B. Vortex-Generatoren) einbezogen wurden. Abschließend wurden eine wissenschaftliche Veröffentlichung und ein detaillierter Abschlussbericht angefertigt.
Unsere vierstufige Methodik führte zunächst zu einer größeren Anzahl von Profilgeometrien, die sich aber zum größten Teil als nicht praktikabel für den Einbau in Blättern nach dem Stand der Technik erwiesen. Die aerodynamischen Ziele (keine negative Steigung der Auftriebskurve, hoher Auftrieb, geringer Widerstand) wurden sowohl in den 2D-Ströumgssimulationen als auch in der Messung im Windkanal erreicht. Weiterhin wurde im Windkanal gezeigt, dass unsere sehr spezifische Hinterkantenform inkl. einer sogenannten „splitte-plate“ den aerodynamischen Widerstand in diesem, inneren Teil des Blattes nochmals deutlich verringert. Dreidimensionale Simulationen, das klassische Blattschnittverfahren und 3D-CFD (Computational Fluid Dynamics = Strömungssimulation) lassen auf eine Leistungssteigerung im Prozentbereich, bei gleichzeitiger Reduktion der Belastung hoffen. Die AEROVIDE GmbH, Rendsburg, erwägt, das Profil in einigen seiner Blatt zu verwenden.
• Diskussion mit Fachkollegen auf der „TORQUE“ Konferenz im Mai 2024 in Florenz, Italien
• Wiss. Veröffentlichung https://www.mdpi.com/2674-032X/4/3/10
• Pressemitteilung/Öffentlichkeitsarbeit der FH Kiel und
• FuE-Zentrum FH Kiel GmbH https://www.fh-kiel-gmbh.de/de/windturbinenblaetter.html
Innerhalb dieses Projektes wurde erfolgreich ein neues, sehr dickes (60 % der Tiefe) aerodynamisches Profil entwickelt, das in der Lage ist, eine bekannte technologische Lücke zu schließen, indem die kontraproduktiven Eigenschaften den Innenbereichs nicht nur beseitigt wurden, sondern in positive umgewandelt werden können. Dreidimensionale Simulationen lassen eine Leistungserhöhung im Prozentbereich (bezogen auf den maximalen Leistungsbeiwert cP-max) erwarten. Dies ist durch den synergetischen Ansatz von enger Verzahnung von Simulation und Messung gelungen.
Somit wurde ein weiterer wichtiger und aktiver Beitrag zum Umweltschutz erbracht.