Projekt 36095/01

Treibhausgasemissionen tropischer Stillgewässer und periodisch überschwemmter Gebiete

Projektdurchführung

Technische Universität Bergakademie Freiberg Interdisziplinäres Ökologisches Zentrum (IÖZ) Institut für Mineralogie AG Geochemie und Geoökologie
Brennhausgasse 14
09599 Freiberg

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Erprobung der Datengewinnung mit einer robotischen Plattform bei mehreren Geländekampagnen im Amazonasgebiet auf Seen unterschiedlicher Charakteristiken. Ermittlung des Gasaustauschs zwischen Atmosphäre und Wasserkörper und parallel dazu aller nötigen Randparameter.
Die konkreten Forschungsfragen lauteten:
• Lässt sich zwischen Klarwasser, Schwarzwasser und Weißwasserseen in Bezug auf Wasserchemie und Gasaustauschverhalten differenzieren?
• Wie sehen die Gasaustauschsignaturen tropischer Seen im Vergleich zu temperierten Seen aus?
• Gibt es einen nachweisbaren Unterschied zwischen dem Gasaustausch der benachbarten Terre Firme Böden und den Seen?
• Wie stellt sich der Beitrag (in der Regenzeit) überschwemmter Böden und von Seen der feuchten Tropen im Hinblick auf die globale Treibhausgasbilanz dar?
• Lassen sich aus den Ergebnissen dieses Projektes Hinweise für optimierten Landnutzungsmanagement ableiten?



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenBasierend auf einer im EU-Projekt RoBiMo entwickelten modularen, aquatischen, robotischen Plattform (MARP-FG), konnten im Rahmen der DBU-Projektförderung drei Feldkampagnen auf Klar-, Schwarz- und Weißwasserseen in Amazonas, Brasilien durchgeführt werden. Dabei wurden von Anfang an mit der Plattform vor Ort Kohlendioxidkonzentrationen der Wassersäule direkt bestimmt. Parallel dazu wurden Gasproben genommen, mikrometeorologische Untersuchungen am Ufer durchgeführt sowie hydrographische Profil aufgenommen gewonnen.
Mit jeder Kampagne konnte durch die jeweils gewonnenen Erfahrungen die Autonomie der Plattform MARP-FG erweitert werden. Bei der letzten Kampagne im August 2023 war die Plattform erstmalig vollständig autonom, konnte vom Startpunkt nach vorprogrammiertem Kurs mehrere Messpunkte aufsuchen, dort das gewünschte Arbeitsprogramm durchführen und anschließend zum Ausgangspunkt zurückkehren. Das Ziel, nächtliche Untersuchungen durchzuführen wurde bereits bei der zweiten Kampagne im März 2023 realisiert und im August wiederholt.
Die angewandten Methoden sind einerseits jene, die für Robotik und künstliche Intelligenz notwendig sind. Dabei geht es um Steuer- und Regeltechnik, sowie um Datenmanagement und Datentransfer. Andererseits steht das limnologische und biogeochemische Methodeninventar. Dies umfasst mikrometeorologische Untersuchungen (Sensoren für Strahlung, Temperatur, Luftdruck- und Feuchte, Niederschläge, Windgeschwindigkeit), hydrographische Profile mittels Multiparametersonde (Wassertemperatur, elektrische Leitfähigkeit, Druck [Tiefe], pH-Wert, Chlorophyll-a, Trübe) und Tiefensondierung mit Sonar, Wasserprobenahme für Anionen- und Kationenanalytik sowie Trübstoffe (CNS) und die Ermittlung von Treibhausgasflüssen über die In-situ Messung von CO2 sowie regelmäßige Gasbeprobung zur späteren Bestimmung von CO2, CH4 und N2O mittels Gaschromatographie. Ebenfalls integriert wurden die Ergebnisse einer Sedimentprobenahme, um die Kohlenstoff- und Stickstoffvorräte zu quantifizieren sowie den gesamten Stoffbestand charakterisieren zu können.
Nicht vernachlässig werden darf, dass das Projekt RoBiMo-Trop an das Projekt EcoRespira-Amazon anschließt, bei dem der Fokus auf den terrestrischen Systemen (terra firme) lag, und letztlich die gleiche Frage zur Treibhausgasdynamik im Vordergrund stand. Aus jenem Projekt liegen entsprechende Daten sowohl der Systemrespiration und der Gasflüsse ebenso vor, wie hoch präzise Daten zur Bodenchemie, einschließlich der Kohlenstoff- und Stickstoffvorräte.


Ergebnisse und Diskussion

Aquatische Systeme der inneren feuchten Tropen sind durch starke Wasserstandsschwankungen ebenso charakterisiert wie durch hohe Wassertemperaturen, oft Polymixie und entsprechend angepasste Organismen und Nahrungsnetze. Diverse Arbeiten nehmen eine weit überdurchschnittliche Freisetzung von Treibhausgasen aus diesen Systemen an. Letzteres konnte durch die bisherigen Arbeiten in RoBiMo-Trop nicht bestätigt werden. Der Gasaustausch ähnelte dem benachbarter Böden. Lachgas spielte fast keine Rolle, im Gegensatz zu Kohlendioxid und Methan. Die einzelnen Gewässertypen (Klar-, Schwarz-, Weißwasser) konnten deutlich über ihr Gasaustauschverhalten differenziert werden. Diese Differenzierung spiegelt sich ebenso in der Chemie der Gewässersedimente wieder.
Durch den robotischen Ansatz gelang es sowohl, die Positionsgenauigkeit bei den Arbeiten an einem „Punkt“ deutlich zu erhöhen, als auch die Wiederholgenauigkeit der Messungen zu optimieren. Darüber hinaus lag ein großer Fortschritt in der Möglichkeit, nunmehr auch Nachts Messungen und Probenahmen ohne Risiko für Wissenschaftler:innen und technisches Personal durchzuführen. Diese ersten Ergebnisse nächtlicher Messungen bedürfen des Nachweises der Reproduzierbarkeit. Aktuell ist ein DFG-Antrag in der Begutachtung, mit dessen Unterstützung wir dies verwirklichen wollen.
Die Kernergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
• Nur je ein hydrographisches Profil pro Trocken/Regenzeit ist deutlich unzureichend. Gerade auch wegen der Polymixie vieler tropischer Seen sind regelmäßighe (wöchentllich) Wiederholungen nötig – ein weiteres Argument für robotische Lösungen.
• Alle Seen, unabhängig vom Wassertyp zeigen deutlich besser gepufferte Verhältnisse als die jeweils umliegenden Böden der Einzugsgebiete. Dies reflektiert sowohl den puffernden Kationeneintrag (v.a. Mg, Ca), als auch die Planktonaktivität.
• Der teilweise extreme Sauerstoffmangel bereits ab ±1 m Wassertiefe wird bei weiterer Erhöhung der Durchschnittstemperaturen zu Problemen in den Nahrungsketten führen.
• DOC-Werte der Wässer liegen im erwarteten Bereich; differenziert nach Seentyp.
• Die ionare Zusammensetzung der Wässer Hauptan- und -kationen) liegt mit Ausnahme der Weißwasserseeen im Bereich von Niederschlagswässern mit sehr geringen Leitfähigkeiten (< 50 µS cm-1).
• Dies gilt analog für Spurenelemente.
• Boden- und Sedimentchemie sind deutlich voneinander verschieden; vor allem im Hinblick auf die Anreicherung basischer Kationen in den Seesedimenten.
• Tagesdaten der THG-Respiration ähnelten sehr der Reaktion von lokalen Böden. Nachts zeichnet sich eine geringe Erhöhung ab, die jedoch noch nicht als repräsentativ angesehen werden kann.
• Der Balbina Stausee ist heute entgegen seiner Bildungsphase in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren offensichtlich keine THG-Quelle mehr, sondern THG-neutral. Im Gegensatz dazu sind die untersuchten Schwarz- und Weißwasserseen eindeutige THG-Quellen.
• Generell lassen sich die Gewässertypen in Bezug auf physikochemische Parameter, Wasser- und Sedimentchemie sowie Gasaustauschverhalten voneinander differenzieren.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Mit Projektbeginn wurde eine Webseite aufgebaut, um über das Projekt und seinen Fortschritt berichten zu können. Bedauerlicherweise sind alle entsprechenden Arbeiten durch den professionellen Hackerangriff gegen die TU Bergakademie Freiberg im Januar 2023 zunichte gemacht worden – alle Dateien wurden zerstört. Eine neue Webseite ist derzeit im Aufbau.
Bei jeder der Geländekampagnen in Brasilien fand gegen Ende ein (teil)öffentlicher Workshop statt. Dazu wurden Vertreter:innen von Behörden und Forschungseinrichtungen sowie den lokalen Universitäten eingeladen. Durch die Pandemie war die Resonanz mit ca. 20 bis 50 Teilnehmenden geringer als erwartet.
Im März 2022 konnte ein Fotojournalist (Eckart Mildner) die gesamte Geländekampagne auf eigene Kosten begleiten. Parallel dazu druckte die Freie Presse in Sachsen (etwa 400.000 Leser:innen) täglich Bilder und Berichte des Projektfortschritts.
Über den gesamten Projektzeitraum berichteten deutsche und brasilianische Presseorgane (Radio, Zeitungen) immer wieder über das Projekt.
Die beteiligten Wissenschaftler:innen trugen und tragen weiterhin auf Tagungen national wie international zum Projekt vor (Brasilien, Costa Rica, Deutschland, Mexico, Österreich, Panama). Zugleich laufen aktuell Anträge, um die Arbeiten fortführen zu können.


Fazit

Mit erfreulich geringem materiellen und Kostenaufwand konnte innerhalb sehr kurzer Zeit in stetiger Rückkopplung zwischen wissenschaftlicher Datenakquise und technischer Weiterentwicklung eine robuste, vielseitig einsetzbare autonome aquatische Plattform entwickelt und kontinuierlich getestet werden. Diese Plattform wird in wiederum modifizierter Form inzwischen bereits in Projekten in Deutschland (mit BGR, LTV Sachsen und LMBV) eingesetzt. Die dabei eingesetzten Nutzlasten sind neben dem Kammersystem ein Sonar zur autonomen, hochauflösenden dreidimensionalen Gewässerbeckenvermessung sowie ein System zur automatischen Erfassung hydrographischer Profile; aktuell bis zu einer Wassertiefe von 50 Metern. Das wäre ohne das DBU-Projekt nicht möglich gewesen.
Ebenso undenkbar wären nächtliche Messungen auf innertropischen Seen im Amazonasgebiet gewesen, weil nächtliche Arbeiten für Menschen zu riskant und damit nicht verantwortbar sind. Eine robotische Lösung ist hier – wie bei zahlreichen weiteren Anwendungen – die ideale Konstellation.
Schließlich gelang es, die Plattformentwicklung bis zur Praxisreife zu bringen und neue, tatsächlich reproduzierbare Daten aus Trocken- und Regenzeiten der inneren feuchten Tropen zum Treibhausgasaustausch ebenso wie zu wasserchemischen und physikalischen Parametern zu gewinnen – ein spürbarer Erkenntnisfortschritt, der aktuell publiziert wird (Matschullat et al. 2024; Zug et al. 2024). Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für diese wunderbare Möglichkeit, unsere Ideen entwickeln und erfolgreich testen zu können.
Hat sich die Vorgehensweise bewährt? Eindeutig ja. Gerade bei Arbeiten außerhalb des eigenen Landes ist es wesentlich, sich sowohl sprachlich als auch kulturell auf die anderen Randbedingungen einstellen zu können – und eine Vertrauensbasis aufzubauen, die trägt. Das ist hier vollumfänglich gegeben. Unabhängig vom formalen Projektende ist eine Änderung der Zielsetzung nicht notwendig. Wünschenswert wären allerdings eine großzügigere Finanzierung ebenso wie Versteigung von Umweltmonitoring auch jenseits von Großprojekten wie dem ATTO (MPI-BGC) oder der herausragenden Fernerkundung Brasiliens über die INPA. Hier klafft eine schmerzliche Lücke. Mit erheblich viel geringeren Mitteln als in Deutschland ließen sich in Brasilien leistungsfähige Strukturen aufbauen und erhalten. Das ist keine Aufgabe für die DBU, sondern eine Anregung für das Auswärtige Amt.

Übersicht

Fördersumme

36.792,00 €

Förderzeitraum

01.03.2022 - 31.12.2023

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Cross-border
Climate protection
Land use
Resource conservation
Umweltforschung
Umwelttechnik