Projekt 35869/01

Empfehlungen zu Einsatz, Planung und Betrieb von Seilschwebebahnen als Ergänzung des ÖPNV im urbanen Raum

Projektdurchführung

SSP Consult Beratende Ingenieure GmbH
Schockenriedstr. 8 c
70565 Stuttgart

Zielsetzung

Forschungsgegenstand bildete das Verkehrsmittel Seilschwebebahn als integrierte Ergänzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im urbanen Raum. Im direkten Vergleich mit bereits realisierten urbanen Seilschwebebahnen in Europa und anderen Teilen der Welt wurden diese bisher weitgehend nur in einem begrenzten Maße in urbanen Räumen eingesetzt, zumeist im Rahmen von größeren Veranstaltungen. Bei diesen realisierten Anlagen in Deutschland ist jedoch eine intermodale Einbindung in den städtischen ÖPNV-Netzverbund und die Tarifstruktur in der Regel nicht gegeben.

Gerade im Kontext einer Etablierung in den ÖPNV wird häufig Skepsis und Unverständnis in kommunalen Verwaltungen und der Öffentlichkeit angetroffen. Dies liegt vor allem in der teils veralteten oder auch fehlenden breiten Erfahrungs- und Datenbasis und dem fehlenden Vorstellungsvermögen, dass eine Seilschwebebahn im urbanen Raum eine sinnvolle Ergänzung des ÖPNV sein kann.

Die technische Ausgestaltung einer Seilschwebebahn für den besonderen Einsatz im städtischen Umfeld unterliegt abweichenden Anforderungen gegenüber dem Einsatz im berg- oder veranstaltungstouristischen Segment. Sowohl hinsichtlich der Streckenführung und Anknüpfung an vorhandene ÖPNV-Knotenpunkte, wie auch an Gefäßgrößen und Reisekomfort oder an umweltsensitive Eigenschaften, sind besondere Anforderungen zu stellen. Insbesondere aufgrund der etablierten Qualitätsstandards, die im nationalen ÖPNV-Angebot von Bussen und Bahnen definiert sind, ist eine direkte Übertragbarkeit der Erfahrungen aus bestehenden Systemen im Ausland, z. B. Südamerika und Asien, nicht gegeben.

Zudem stellen die planerischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland weitreichende Anforderungen an das stufenweise Vorgehen zur Planung, Genehmigung und Realisierung von Infrastrukturmaßnahmen im Bereich Verkehr und Mobilität – in Folge auch von Seilbahnen.

In den letzten Jahren wird politisch ein wachsendes Interesse am ÖPNV und zunehmend auch am möglichen Einsatz von Seilschwebebahnen als Lösungsansatz gegen innerstädtische Verkehrsprobleme erkennbar. Eine wesentliche Zielsetzung des vorliegenden Forschungsantrages wurde in einer zusammenführenden Empfehlung gesehen, um politischen Entscheidungsträgern und zuständigen Verwaltungen bzw. Verkehrsbetrieben Prozessstrukturen an die Hand zu geben, um Einsatzmöglichkeiten von Seilschwebebahnen weitgehend einheitlich zu bewerten.

Arbeitsschritte

In der ersten Phase wurden auf Basis einer Literaturauswertung und Erfahrungen bzw. Fachkenntnissen des Projektteams Grundlagen zu Seilbahnen und der Seilbahntechnik dargestellt und ein Querbezug der Anwendung vom (berg-) touristischen Einsatz zum urbanen Raum hergestellt. Hierbei wurde eine Unterscheidung der Seilbahnformen mit Schienen- oder Seiltransport dargestellt und die untersuchungsgegenständliche Seilschwebebahn hinsichtlich der Seilsysteme differenziert. Zudem wurde eine (nicht repräsentative) Analyse der Bevölkerungsakzeptanz von Seilbahnen durchgeführt, die anhand eines digitalen Online-Fragebogens über verschiedene Multiplikatoren-Seiten verbreitet wurde.

Um die Seilbahn für die urbane Anwendung im Untersuchungsverlauf mit konventionellen Systemen, wie Linienbus, Straßenbahn oder S-Bahn vergleichen zu können, wurden baulich-betriebliche Kenngrößen identifiziert. Wesentliche Kenngrößen waren dabei die Beförderungsleistung, Sicherheitsaspekte, Kostenstruktur und Flächenbedarf für die Errichtung. Darüber hinaus wurde detailliert auf umweltsensitive Merkmale, die bei einem Vergleich der Verkehrssysteme zum Tragen kommen.

Aufbauend auf einer Definition der wesentlichen Anforderungen an öffentliche Verkehrsmittel im urbanen Raum wurden die Grundlagen für einen Systemvergleich mit etablierten öffentlichen Verkehrsmitteln der Straße und Schiene gebildet. Diese wurden nach den Hauptkriterien Mobilität und Zugänglichkeit, Umweltverträglichkeit, soziale Auswirkungen sowie Wirtschaftlichkeit differenziert.

Um eine einheitliche Bewertbarkeit von Seilbahnen und Personentransportmitteln
durchführen zu können, war angestrebt, eine einfache softwaregestützte Entscheidungshilfe zu entwerfen und damit eine Möglichkeit anzubieten, anhand zugänglicher Eingangsgröße eine Erstindikation für den Einsatz einer Seilbahn oder die Wahl eines etablierten Verkehrssystems durchzuführen. Diese Anwendung wurde auf der weit verbreiteten Software MS Excel aufgebaut. Unter dem Arbeitstitel EhUS („Entscheidungshilfe für urbane Seilbahnen“) wurden die bekannten bzw. erforderlichen Grundlagendaten zu Bewertungskriterien hinterlegt und die Anwendung anhand verschiedener Ein- und Ausgabeseiten entwickelt.

Im abschließenden Diskurs wurde auf rechtliche Rahmenbedingungen und Hemmnisse für urbane Seilbahnsysteme eingegangen. Dazu wurden u.a. ein Überblick der bestehenden Regularien und Fördermöglichkeiten für Seilbahnen in Deutschland durchgeführt.

Ergebnisse

Die Forschungsarbeit wird von den Forschungsnehmern als grundsätzlich erfolgreich angesehen. Sie kann die gesetzten Ziele weitgehend erfüllen und bietet eine umfassende Abhandlung zum Themenbereich der urbanen Seilschwebebahnsysteme als Teil des ÖPNV. Um den Interessenten an urbanen Seilschwebebahnen einen umfassenden Überblick über technische und betriebliche Eigenschaften der unterschiedlichen Systeme zu geben, wurden in der
Forschungsarbeit entsprechend detaillierte Ausführungen dargestellt und auch Vergleichsaspekte zum herkömmlichen ÖPNV dokumentiert. Neben der umfassenden Systembeschreibung war eine Zielsetzung der Arbeit die Identifizierung von Bewertungskriterien, die einen schematisierten Vergleich der unterschiedlichen Verkehrssysteme ermöglichen. Abgeleitet von Qualitätskriterien an den ÖPNV auf Basis der Fachliteratur entstand eine Zusammenstellung betrieblicher,
technischer und ökologischer Merkmale, für die zu den unterschiedlichen Verkehrsträgern geeignete Kenngrößen zusammengetragen wurden. Als Auswahl- und Entscheidungshilfe eines geeigneten ÖPNV-Systems für anstehende Lösungsansätze im ÖPNV wurden die umfangreichen Kenngrößen und Merkmale der Bewertungskriterien in eine softwarebasierte Anwendung implementiert.

Es lässt sich in Bezug auf die softwaregestützte Entscheidungshilfe für Urbane Seilbahnen - EhUS erkennen, dass die Umsetzung der sehr zahlreichen Kenngrößen unterschiedlicher ÖPNV-Systeme in ein ergonomisches Anwendungs-Tool möglich ist. Die Ausarbeitung zu einem „marktfähigen“ Tool, das durch Anwendende ohne spezifische Kenntnisse erfolgreich bedienbar ist, bedarf jedoch eines entsprechenden Entwicklungsaufwands, für den im Bedarfsfall eine Zusammenarbeit mit Software-Entwicklern empfehlenswert ist.

Dennoch bieten die Ausführungen und Empfehlungen zur Bewertung eines Seilschwebebahnsystems und der Randbedingungen für die Seilbahnplanung eine hinreichende Basis, auch für den breiten Anwenderkreis aus Planern, Verwaltungen und Politik als Informations- und Handlungsgrundlage zu dienen.

Öffentlichkeitsarbeit

Über das Forschungsvorhaben und die Ergebnisse wurde auf mehreren Ebenen informiert.
Durch die Einbeziehung eines Fachbeirats von 16 Personen aus Verwaltung, Wissenschaft und Institutionen wurde die Verbreitung in der Fachwelt ermöglicht.
Im Rahmen der Akzeptanzanalyse der Bevölkerung wurde eine Öffentlichkeitsbeteiligung durch die Online-Befragung durchgeführt. Die Befragung bzw. deren Aufruf wurde durch die Veröffentlichung einer Projektinformation bei mehreren bundesweiten Institutionen ermöglicht.
Begleitend zum Veranstaltungs- und Rahmenprogramm des 2-tägigen Seilbahnkongresses „CableCarWorld 2022“ in Essen wurden anhand einer Plakatwand über Hintergrund und Ergebnisse des Forschungsvorhabens berichtet.

Fazit

Das Forschungsvorhaben hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Themenbereich der urbanen Seilschwebebahn als Teil des städtischen ÖPNV aus fachtechnischer Sicht zu analysieren und Empfehlungen auszuweisen, die Planern, Kommunen und Verwaltungen als Handreichung bei der Entscheidungsfindung für ein ÖPNV-System dienen können.

Zeitgleich zur Projektbearbeitung wurden in Deutschland politische Überlegungen größerer und kleinerer Kommunen publiziert, Seilbahnsysteme für die lokalen Verkehrsprobleme als Lösungsansatz zu prüfen. Es hat sich gezeigt, dass die spezifischen Vorteile von Seilbahnsystemen häufig durch die örtlichen Rahmenbedingungen und Einschränkungen egalisiert werden. Seilschwebebahnen wurden dabei regelmäßig in Konkurrenz gesetzt zu straßengebundenen ÖPNV-Verkehrsmitteln, wie Stadtbus oder Regionalbus und unterliegen dann aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Investitionskosten. In der Folge konnte bei einer Vielzahl an Machbarkeitsstudien und Vorplanungen eine ökonomische Sinnhaftigkeit, die im Hinblick auf die Generierung einer Förderfähigkeit von Seilbahnen im Ringen mit etablierten ÖPNV-Systemen um begrenzte Finanzmittel formal erforderlich ist, nicht nachgewiesen werden.

Die Forschungsarbeit wird von den Forschungsnehmern als grundsätzlich erfolgreich angesehen. Sie kann die gesetzten Ziele weitgehend erfüllen und bietet eine umfassende Abhandlung zum Themenbereich der urbanen Seilschwebebahnsysteme als Teil des ÖPNV.

Übersicht

Fördersumme

300.650,00 €

Förderzeitraum

17.09.2020 - 17.05.2023

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter