Der Verkauf unverpackter Waren hat sich seit 2014 in Deutschland dynamisch entwickelt. Die deutschlandweit über 350 stationären Läden setzen wichtige Impulse um Lebensmittel ohne Verkaufsverpackung zu kaufen. Das Konzept ist jedoch sehr voraussetzungsreich, da moderne Wertschöpfungsketten auf Verpackungen und deren Funktionen ausgerichtet sind. Um Verpackungen zu ersetzen fehlt es an Standards, um den Unverpackt-Handel auf Dauer wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Das Wachstum und die Ausweitung des Unverpackt-Konzeptes stellt die Beteiligten der Wertschöpfungskette somit vor Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnen sich Chancen, die Kosten entlang der Wertschöpfungskette zu senken, Verpackungen weiter konsequent zu reduzieren bzw. zu substituieren sowie neue Wachstumspotentiale zu erschließen – zum Vorteil aller Beteiligten.
Ziel des Projektes ist, die Unverpackt-Warenversorgung mit Standards effizienter, nachhaltiger und verpackungsreduzierter zu gestalten und den Unverpackt-Handel zu professionalisieren. Mit dem Projekt sollen grundlegende Standards für die Unverpackt-Warenversorgung entwickelt werden, die anschließend allen interessierten Unternehmen kostenlos zur Verfügung stehen. Mögliche Standards gelten den Prozessen der Warenversorgung, Mehrwegverpackungen in der Belieferung und den Hygienebestimmungen für das Unverpackt-Konzept.
Das Projekt wird in vier Phasen gegliedert. Die erste Phase (fünf Monate) soll der Planung des Vorgehens gelten. Hierzu gehören insbesondere die Konkretisierungen zu möglichen Standards, des Vorgehens und möglicher Partner für die Erarbeitung der Standards, welche im Mittelpunkt der zweiten Projektphase (neun Monate) steht. Sie soll der empirischen Untersuchung und Generierung von grundlegendem und neuem Wissen dienen. Standardisierten Befragungen der Mitglieder des Unverpackt e.V., folgen vertiefende qualitative Interviews von Unverpackt-Ladner*innen und Lieferanten und Gruppendiskussionen bzw. Workshops. Das über die empirische Arbeit gewonnene Wissen soll die Basis für die Standardisierungsarbeit in der dritten Projektphase (zwölf Monate) legen. Die Potenziale einzelner Unternehmen, Effizienzpotentiale in den Arbeitsabläufen sowie praxistaugliche Mehrwegtransportlösungen zu entwickeln, sind begrenzt. Aus diesem Grund, soll nach dem Vorbild des Konzepts „Efficient Consumer Response“, eine gemeinsame Erarbeitung im Konsens der Beteiligten der Wertschöpfungskette erfolgen. Hierzu soll in Arbeitsgruppen und runden Tischen gearbeitet werden. Die Beteiligung von Praxispartnern sowie die Unterstützung durch weitere Expert*innen und damit die Etablierung eines Netzwerkes wird als ein entscheidender Erfolgsfaktor angesehen. Zum Ende der dritten Phase sollen die Standards fertiggestellt werden. Die abschließende, vierte Projektphase (vier Monate) soll der Finalisierung und Veröffentlichung der Projektergebnisse dienen. Diese sollen für alle Interessierten kostenfrei zugänglich sein. Der Wissenstransfer soll über Veröffentlichungen und geeignete Medien unterstützt werden, sodass die Projektergebnisse ihre Wirkung zur nachhaltigen Umweltentlastung entfalten können.
Das Förderprojekt Unverpackt 2.0 wurde initiiert, um in einer aufstrebenden Branche Ineffizienzen zu überwinden und das Unverpackt-Konzept nachhaltig zu etablieren. Hierfür müssen Standards in der Warenversorgung des Unverpackt-Handels etabliert werden. Dieser Bedarf wurde mit dem Förderprojekt aufgegriffen. Mit dem Projekt wurden Empfehlungen für Prozessstandards dokumentiert und ein gänzlich neuer Standard für Mehrwegtransportverpackungen in der Belieferung veröffentlicht. Darüber hinaus wurde erstmalig unter Beteiligung zentraler Akteure eine Definition für „unverpackt“ sowie die damit verbundenen Begriffe erarbeitet. Diese stützt das Konzept in seinen Grundfesten. Mit der Definition wird ein einheitliches Verständnis gefördert, Greenwashing vorgebeugt und das Alleinstellungsmerkmal der Unverpackt-Läden als „Change-Agents“ gestärkt.
Im Projekt wurden somit Standards erarbeitet, die zum einen effiziente Waren- und Informationsflüsse in den Prozessen der Warenversorgung und zum anderen eine systemische Ausweitung des Konzepts auf die Lieferkette ermöglichen, indem sie die Unverpackt-Warenversorgung in bestehende Prozesse integrieren und weiteres Wachstum fördern: Während mit der Umsetzung der empfohlenen Prozessstandards ein direkter Nutzen entsteht, legt die DIN SPEC 10026 einen Grundstein für die standardisierte Entwicklung einer systemischen Lösung für die Belieferung in Mehrweg. Die Umsetzung erfordert die Entwicklung und Anwendung einer Mehrweglösung im Unverpackt-Handel und weiteren Anwender*innen, wie Großverbraucher*innen. Mit der Umsetzung tritt eine potenzielle Umweltentlastung ein, indem das Aufkommen von Verpackungsabfällen in der Lieferkette reduziert, Ressourcen eingespart und zeitgleich effiziente Warenflüsse gefördert werden.
Ein erhöhter Zeitbedarf war in den ersten drei Phasen des Projekts notwendig. Gründe hierfür waren: die Anpassung an die Kontaktbeschränkungen durch die Coronapandemie, deren Einschränkungen den Projektstart prägten, die Veränderung der pandemiebedingen Branchensituation (Schließung zahlreicher Unverpackt-Läden) und zwei vorübergehende Personalengpässe (Juli 2022 bis Januar 2023 sowie Juli 2023 bis September 2023). Das im Vorfeld des Projekts bekundete Interesse einiger Unternehmen wurde pandemiebedingt und aufgrund einer angespannten Marktsituation nach dem Projektauftakt durch eine allgemein starke Zurückhaltung abgelöst. Die Datenerhebungen und runden Tische wurden alternativ mit Videokonferenzen durchgeführt.
Die Ergebnisse wurden in zwei Dokumenten veröffentlicht: »Unverpackt 2.0 – Standards zur professionellen Warenversorgung im Unverpackt-Handel, Schlüssel für die Realisierung von Effizienz und Nachhaltigkeitspotenzialen« und »DIN SPEC 10026:2024:08«
Beide Dokumente sind dauerhaft und kostenfrei verfügbar. Die Verbreitung erfolgte über den direkten Versand an Lebensmittelunternehmen mit Verbindung zum Unverpackt-Handel und das Netzwerk des Unverpackt e.V. sowie im Fall der DIN SPEC mit einer Bekanntmachung durch den DIN e.V. und einer Pressemitteilung der Hochschule. Ergänzend wurde vom Projektteam die Gelegenheit genutzt, einen Beitrag zum Buch „Precycling – Perspektiven auf die Vermeidung von Verpackungsabfällen“ zu verfassen, um die Projektinhalte, -Ziele und –Ergebnisse Personen außerhalb der Branche bekannt zu machen. Die Verlegung des Buches erfolgt über den transcript Verlag. Die Autor*innenschaft kommt aus Bereichen der Wissenschaft und besitzt insgesamt eine hohe Reichweite. Darüber hinaus wurden Einladungen zu Podcasts und Vorträgen wahrgenommen und das Projekt auf der BIOFACH Messe repräsentiert und Workshops auf der BIOFACH durchgeführt.
Das Förderprojekt wurde initiiert, um in einer aufstrebenden Branche Ineffizienzen zu überwinden und das Unverpackt-Konzept nachhaltig zu etablieren. Mit dem Projekt wurde der Bedarf an Standards aufgegriffen, indem Empfehlungen für Prozessstandards dokumentiert, ein gänzlich neuer Standard für Mehrwegtransportverpackungen in der Belieferung veröffentlicht und erstmalig eine Definition für „unverpackt“ erarbeitet wurden. Die Durchführung des Projekts fiel in einen Zeitraum, der von der Coronapandemie und den Auswirkungen geopolitischer Konflikte geprägt war. Sie brachten die Branche in eine existenzbedrohende Situation und beeinflussten die Durchführung des Förderprojekts in starkem Maße.
Dennoch konnten die Ergebnisse mit einem hohen Maß an Flexibilität und starker Beteiligung der Akteure entlang der Wertschöpfungskette erzielt werden. Sie liefern einen wichtigen Baustein zur Professionalisierung des Unverpackt-Handels. Gleichzeitig befindet sich die Branche nach wie vor in einer wirtschaftlich schwierigen Phase. Während der Projektlaufzeit musste etwa ein Drittel der Unverpackt-Läden schließen und diverse Lieferanten waren gezwungen, weitere Absatzmärkte neben dem Unverpackt-Handel zu erschließen. Für eine Umweltentlastung braucht es, neben Professionalität, auch eine starke Nachfrage durch Kund*innen für eine Ausweitung des Konzepts. Ein möglicher Ansatz wäre es, zu ergründen, wo neben den Unverpackt-Läden Hebel für eine konsequente Abfallvermeidung im Lebensmittelhandel liegen.