Projekt 35287/01

Strukturierte Entscheidungsprozesse zur Verbesserung der ökologischen Situation von Gewässern in der Agrarlandschaft – Weiterentwicklung des Programms zur Sanierung oberschwäbischer Seen und Weiher (SOS)

Projektdurchführung

Landespflege Freiburg Institut für Naturschutzökologie und Landschaftsmanagement Konold, Kaphegyi, Wattendorf & Suchomel GbR
Stegener Str. 19
79199 Kirchzarten

Zielsetzung

Die Beeinträchtigung von Gewässern in den Agrarlandschaften und den sich daraus ergebenden Folgen für die Ernährungssicherheit und die Stabilität unserer Ökosysteme ist ein zentrales Problem für unsere Gesellschaft.
Extensivierungen gelten bislang als zentrale Maßnahme, um Nährstoffeinträge aus landwirtschaftlichen Flächen in Gewässer zu reduzieren. Die zunehmende Flächenverknappung in der Agrarlandschaft lässt jedoch nicht erwarten, dass Extensivierungen im notwendigen Umfang ausgeweitet werden können, um die negativen ökologischen Entwicklungen zu stoppen oder sogar umzukehren. Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus darauf, die Wirksamkeit von Maßnahmen des Stoffstrommanagements in der Agrarlandschaft zu erhöhen.
Eine verbesserte Wirksamkeit der Maßnahmen kann durch eine zielgerichtete Verortung an stoffstrom-neuralgischen Bereichen und durch eine sich gegenseitig verstärkende Kombination von Maßnahmen erfolgen. Voraussetzung für die Konzeption solcher Maßnahmenszenarien sind differenzierte landschaftsökologische und hydrologische Analysen auf der Ebene von Wassereinzugsgebieten.
Ein wesentliches Ziel des Vorhabens ist die Bereitstellung eines Werkzeugkastens für ein effektiveres Stoffstrommanagement zur ökologischen Aufwertung von Gewässern in der Agrarlandschaft. Die Werkzeuge sollen deutschlandweit seitens der verantwortlichen Akteure eingesetzt werden können. Das heißt, dass die analytischen Schritte auf der Basis verfügbarer Daten und mit Hilfe von Open Source Werkzeugen umgesetzt werden können.

Arbeitsschritte

In einem ersten grundlegenden Schritt wurden verschiedene Ansätze und Modellierwerkzeuge zur Stoffstromanalyse getestet wie z.B. TauDEM (Terrain Analysis Using Digital Elevation Models; Tarboton & Ames, 2001); NetLogo, Agent-based-Modelling (Wilensky, 1999, 2006; Wilensky & Rand, 2015) und SWAT+ (Soil Water Assessment Tool; Somaye et al., 2019) getestet. Die Tests zeigten, dass SWAT+ den Anforderungen einer einzugsgebietsbasierten Analyse von Agrarlandschaften am umfassendsten entspricht.
Die Modellierplattform SWAT+ erlaubt die Berücksichtigung aller relevanten Einflussfaktoren wie beispielsweise Topografie, Landnutzung, Klima, Boden etc., aber auch die Parametrisierung bewirtschaftungsrelevanter Kenngrößen wie Düngemenge und -zeitpunkt, Erntezeitpunkt, Erntemenge, Drainagen etc. Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen, die zwischen Landnutzung, Bewirtschaftung und Ökologie in Agrarlandschaften und ihren Gewässern zu berücksichtigen sind, ist die Parametrisierung der SWAT+-Modelle aufwändig. Ein wichtiger Arbeitsschritt besteht in der Anpassung der bei uns verfügbaren Daten, um die Kompatibilität mit den Funktionen von SWAT+ zu gewährleisten. Dieser Arbeitsschritt erfordert Kompetenzen aus verschiedenen Fachbereichen wie z.B. Hydrologie, Ökologie, Agrarbiologie und Landwirtschaft sowie entsprechende zeitliche Ressourcen.
Die Parametrisierung und der Einsatz von SWAT+ als Analysewerkzeug wurden als Fallstudie für ein konkretes Einzugsgebiet angewendet.

Ergebnisse

SWAT+ wurde im Rahmen unseres Projektes für die Analyse eines Einzugsgebiets mit einer Fläche von rund 30 km² in der Region Allgäu-Oberschwaben eingesetzt. Die dominierende Bewirtschaftungsform innerhalb des Einzugsgebiets ist intensive Grünlandwirtschaft mit bis zu fünfmaliger Mahd pro Saison und entsprechendem Düngeeinsatz. Unter konservativen Annahmen prognostiziert das Modell für die identifizierten Maßnahmenszenarien ein Nähstoffreduktionspotential von mehr als 40% der Einträge in die Gewässer. Der Nährstoffentzug erfolgt maßgeblich durch constructed wetlands und controlled drainage und ohne Einschränkung der derzeit üblichen Düngung. Der Flächenbedarf für die Maßnahmen beträgt wenige Hektar.
Aus den Schnittstellen von SWAT+ und geografischen Informationssystemen wie QGIS ergeben sich neben den analytischen Funktionen der Modellierplattform weitere Vorteile für den Einsatz in der Praxis. Die im Zuge der Analysen identifizierten Handlungsoptionen und Szenarien lassen sich hinsichtlich ihrer Auswirkungen sowie ihrer Anforderungen z.B. an Fläche oder an andere Ressourcen robust und räumlich explizit prognostizieren und nachvollziehbar darstellen. Dadurch unterstützen die Werkzeuge ganz maßgeblich eine transparente und für sämtliche Akteure verständliche Kommunikation möglicher Maßnahmenszenarien und deren Folgen für die Landnutzung. Dadurch wird die Entscheidungssicherheit erhöht und die Akzeptanz maßgeblich gefördert.

Öffentlichkeitsarbeit

Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse und die entwickelten Werkzeuge werden unmittelbar für die Arbeiten im Rahmen des Aktionsprogramms zur Sanierung oberschwäbischer Seen über vier Landkreise hinweg eingesetzt. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Vorgehensweisen ständig weiter zu entwickeln und gegenüber der Öffentlichkeit dazustellen. Zudem bewirkt der Einsatz im Aktionsprogramm, dass die entwickelten Werkzeuge den Akteuren in der Praxis und Verwaltung nähergebracht und zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sind verschiedene Fachpublikationen in Vorbereitung.

Fazit

Die sich verschärfenden Auswirkungen der Klimakrise und des Artensterbens in Agrarlandschaften zwingen dazu, bestehende Vorgehensweisen zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit und der Erhaltung ökologischer Lebensgrundlagen besser in Einklang zu bringen. Hierfür muss vor allem die Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen entscheidend erhöht werden. Unser Projekt zeigt, dass eine Verbesserung der Maßnahmeneffizienz auf der Basis bereits verfügbarer Daten und Informationen durchaus möglich ist. Voraussetzung hierfür ist der Einsatz computerbasierter Analyse- und Planungswerkzeuge. Um die entsprechenden Umsetzprozesse zu initiieren, muss die Anwendung der Werkzeuge weiter erleichtert werden. Dies betrifft vor allem die Zugriffsmöglichkeiten auf grundsätzlich verfügbare Datensätze, die Vorbereitung der notwendigen Daten hinsichtlich ihrer Modellkompatibilität sowie die Vereinfachung der Parametrisierungsprozesse.
Neben den notwendigen technischen und methodischen Weiterentwicklungen sind Intensivierungen und Verbesserungen der Kommunikation, Kooperation und Kollaboration der Akteure notwendig. Grundlage für zielführende Entscheidungsprozesse ist eine transparente und nachvollziehbare Darstellung von Handlungsoptionen sowie deren Auswirkungen und Konsequenzen für die jeweiligen Akteure. Modellierungen, die in verlässliche räumlich explizite Prognosen resultieren, können als entscheidende Instrumente zur Unterstützung der Kommunikation dienen.

Übersicht

Fördersumme

339.650,00 €

Förderzeitraum

01.02.2020 - 31.12.2023

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Kulturgüter
Land use
Nature Conservation
Resource conservation
Umwelttechnik