Das Projekt verfolgte das Ziel, die handelnden Akteure des Naturschutzes (Wissenschaft, Verwaltung und Praxis) für die Themenfelder Conservation Social Science bzw. Human Dimensions stärker zu sensibilisieren sowie entsprechende Kapazitäten aufzubauen bzw. zu stärken. Die hierfür vorgesehenen Maßnahmen sollen dem Naturschutz eine effektivere Aufgabenerfüllung ermöglichen, da sozialwissenschaftliche Ansätze gleichermaßen als Erklärung und zur Lösung tradierter Konfliktlinien zwischen Naturschutz und anderen menschlichen Interessen (insbesondere der Landnutzung) herangezogen werden. Die Begrifflichkeiten Conservation Social Science bzw. Human Dimensions of Conservation (alternativ: … Natural Resources oder …Wildlife) unterliegen keiner abschließenden Definition und werden meist synonym verwendet (Bennett et al. 2017: 93). Die grundsätzliche disziplinäre Spannbreite dieses Feldes bedingt, dass es klassische, tendenziell singuläre Lösungsansätze im Naturschutz deutlich erweitert.
Obwohl in Deutschland durchaus Ansätze sozialwissenschaftlicher Naturschutzforschung bestehen (s. dazu Kapitel „Umweltrelevanz der Problemstellung“), erfolgt eine Integration in die Praxis nur sehr partiell und oberflächlich (vgl. z.B. Kowatsch et al. 2011). Die Frage nach Ursachen für Erfolg oder Scheitern von Naturschutz werden viel zu selten gestellt (s. Brendle 1999). Somit ist es erforderlich, eine weitergehende Sensibilisierung für sozialwissenschaftliche Fragen in der Naturschutzforschung und der -praxis vorzunehmen sowie ein begleitendes Agendasetting in Politik und Gesellschaft zu betreiben, weil das bisherige Maß an Integration nicht ausreichend ist. Aufgrund der Heterogenität der Akteure im Naturschutz ist es sinnvoll, einzelne Zielgruppen mit Multiplikatorwirkung oder Schlüsselstellung gezielt in den Fokus zu nehmen.
Das Vorhaben sah folgende Module mit verschiedenen Adressaten und spezifischen Zielen
vor:
Modul 1: Durchführung einer Befragung von im Naturschutz tätigen Personenkreisen
(Wissenschaft, Verwaltung, Umweltverbände) zum Thema Conservation Social Science im
Vorfeld von Modul 2. Ziel der Befragung war es, den Kenntnisstand von
Naturschutz-Experten und -Fachkräften zu Conservation Social Science abzubilden, die
Relevanz für die Lösung drängender Naturschutzfragen aus Einschätzung der Beteiligten zu
bewerten sowie den Bedarf an möglichen Qualifizierungsmaßnahmen abzuleiten. Die
Befragung wurde als Online-Befragung konzipiert und die Befragung als geschichtete
Zufallsstichprobe durchgeführt.
Modul 2: Durchführung einer internationalen Konferenz „Human Dimensions of Wildlife“ in
Goslar, 16.-19. September 2018, mit Praxisworkshops für deutschsprachige Beteiligte.
Modul 3: Herausgabe eines Fachbuches zum Thema „Human Dimensions of Wildlife in
Europe“
Dieses Modul wurde im Projektverlauf abgewandelt und die Inhalte auf mehrere Fachpublikationen verteilt (s. dazu auch Projektbericht).
Modul 4: Entwicklung und Umsetzung eines Qualifizierungsprogramms zum Thema
„Conservation Social Science“ an der Alfred Toepfer Akademie
Didaktischer Ansatz war, die theoretischen und praktischen Erkenntnisse aus den "Conservation Social Sciences" auf den „Alltag“ im Naturschutz herunterzubrechen. Die Antragstellung erfolgte vor der Corona-Pandemie, enthielt aber damals schon einen Fokus auf einen Blended-Learning-Ansatz, der durch die Pandemie noch verstärkt wurde. Das Pilotprogramm sollte zum Ende des Vorhabens einmal durchgeführt und evaluiert werden.
Die ausführlichen Ergebnisse und Produkte des Projektes sind im Projektbericht (s. Verweise unten) dargestellt.
Die im Rahmen des Vorhabens erzielten Ergebnisse können einen kleinen Beitrag zum Abbau dieses Defizits leisten: Das Buchkapitel zu "Human Dimensions" im Fachbuch "Evidenzbasiertes Wildtiermanagement" ist Open Source, so dass es für alle Interessierten als thematische Einführung frei zugänglich ist.
Die Tagung "Pathways - Human Dimensions of Wildlife" ist mit der Tagung in Goslar 2018 in Europa fest etabliert worden mit Folgeveranstaltungen 2022 in Wageningen und 2024 in Cordoba.
Der Pilotkurs "Conservation Social Sciences" wird 2025 im regulären Veranstaltungsprogramm der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz durchgeführt und soll in den kommenden Jahren regelmäßiger Bestandteil des Programms werden. Er wird als Bestandteil eines in der Entwicklung befindlichen Curriculums für "Schlüsselqualifikationen für einen erfolgreichen Naturschutz" betrachtet.
Insgesamt sind daher erste Schritte erreicht worden, Human Dimensions / Conservation Social Sciences in den Naturschutz zu integrieren.
Das Vorhaben wurde auf verschiedenen Fachtagungen (so z.B. auch der Tagung "Pathways - Human Dimensions of Wildlife" 2022 in Wageningen) vorgestellt. Zum Pilotkurs wurde auch in den sozialen Medien (Instagram) der NNA im Rahmen der Präsenzveranstaltung berichtet.
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Begrifflichkeiten "Human Dimensions of Natural Resources" oder "Conservation Social Science(s)" den deutschsprachigen Naturschutz bislang überhaupt nicht durchdrungen haben, so dass im Gegensatz zum angelsächsischen, aber beispielsweise auch zu Skandinavien, die Integration gesellschaftswissenschaftlicher Aspekte in den Naturschutz weiterhin auf nur schwachem Niveau erfolgt. Es fehlt insbesondere an einem (virtuellen) zentralen Anlaufpunkt, an dem interessierte Personen Zugang zur Thematik finden oder auch entsprechende Ressourcen nutzen können, sofern sie ihre Aktivitäten vertiefen wollen. Eine beispielhafte Lösung liegt z.B. in den USA vor, wo über die Internetseite https://doi.sciencebase.gov/hd/#/ eine solche Anlaufstelle besteht. Vor dem Hintergrund, dass der deutschsprachige Naturschutz in der Praxis immer wieder mit dem Blick in das Englischsprachige fremdelt, wäre eine deutschsprachige Lösung denkbar. Dies wäre jedoch auch nur ein Baustein einer umfassenderen Handlungsstrategie, zu der auch gehören muss, dass beiderseitige Interesse zwischen Naturschutz einerseits und den Gesellschaftswissenschaften andererseits zu vertiefen und über Kooperationsvorhaben an der Schnittstelle zwischen Forschung und Berufspraxis auszubauen.