Projekt 34123/01

Berücksichtigung von biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen als Basis für eine nachhaltige Windenergieproduktion im Wald

Projektdurchführung

Philipps-Universität Marburg Naturschutz
Karl-von-Frisch-Str. 8
35043 Marburg

Zielsetzung

Windenergie spielt in der nachhaltigen Entwicklung und dem damit verbundenen Wechsel zur ressourcenschonenden und klimafreundlichen Energiegewinnung eine wesentliche Rolle. Die Standortauswahl für Windenergieanlagen (WEA) gestaltet sich jedoch häufig komplex und ist regelmäßig mit Kompromissen für Mensch und Natur verbunden. In einigen Bundesländern ist der Betrieb von WEA im Wald bereits gängige Praxis. Im Gegensatz zum Offenland sind die Effekte der Windenergieproduktion auf die biologische Vielfalt und ökosystemare Funktionsweise in Waldökosystemen bisher nur unzureichend erforscht.

Ziel unseres Forschungsprojektes war es, zu untersuchen, wie sich WEA im Wald auf ganze Artengemeinschaften und auf die ökosystemare Funktionsweise auswirken. Dazu untersuchten wir Vögel und Fledermäuse, welche durch ihre insektivore Lebensweise und der damit einhergehenden Ökosystemleistung als natürliche Schädlingskontrolleure einen wichtigen Beitrag zur ökosystemaren Integrität des Waldes leisten. Wir verglichen die Zusammensetzung von Vogel- und Fledermausgemeinschaften sowie die Jagdaktivität in unterschiedlicher Entfernung von WEA und untersuchten, inwiefern sich Muster zwischen verschieden strukturierten Wäldern unterschieden. Mit unseren Erkenntnissen wollen wir zur Entwicklung einer nachhaltigeren Windenergienutzung in Wäldern beitragen.

Arbeitsschritte

Wir untersuchten den Einfluss von WEA auf Artengemeinschaften im Wald, indem wir in 22 Untersuchungsgebieten entlang eines Distanzgradienten Muster in der biologischen Vielfalt und der ökosystemaren Funktionsweise mit Fokus auf Singvögel, Fledermäuse und Arthropoden untersuchten. Die Datenerhebung besteht im Wesentlichen aus vier Arbeitspaketen:

AP Ia) Der Artenreichtum, die Abundanz und Diversität der Artgemeinschaft der Vögel wurde mittels einer Punkt-Stopp-Kartierung in 80, 130, 250, 450 und 700 m Distanz zur nächsten WEA kartiert. Dabei wurde die Häufigkeit der Vögel akustisch anhand ihrer Rufe und Gesänge erfasst.
AP Ib) Die Aktivität von Fledermäusen verschiedener ökologischer Gilden wurde mit Hilfe von automatisierten Ultraschalldetektoren in 80, 130, 250 und 450 m Distanz zur nächsten WEA aufgenommen. Hierbei wurden Echoortungsrufe passiv aufgezeichnet, was eine nachfolgende Identifizierung und Quantifizierung ermöglichte.
AP II) Um herauszufinden, wie sich der Betrieb von WEA im Wald auf die trophische Regulierung von herbivoren Insekten durch insektivore Vögel und Fledermäuse auswirkt, erfassten wir die Abundanz, Diversität und Biomasse der Artengemeinschaft der Arthropoden in direkter Nähe und größerer Entfernung (80 und 450 m Distanz) zur nächsten WEA mit Hilfe von SLAM-Traps (hängende Malaisefallen).
AP III) In einer sozioökonomischen Konfliktanalyse wurde die deutschlandweite Windenergieproduktion (MW/Jahr) ökologischen und sozioökonomischen Proxies gegenübergestellt. Es wurde untersucht, unter welchen Standortbedingungen die Windenergieproduktion im Wald unter gleichzeitigem Schutz der Biodiversität und der Funktion des Ökosystems effizient gelingen kann.

Ergebnisse

Wir fanden heraus, dass WEA im Wald einen negativen Einfluss auf die lokale Singvogel- und Fledermausgemeinschaft ausübten. Die erfasste Abundanz und Diversität von Singvögeln war an WEA mit großen Rotoren reduziert und sank ebenfalls, wenn die WEA während der Erfassungen in Betrieb waren. Verschiedene Vogelarten waren unterschiedlich stark beeinträchtigt, sodass die WEA auch die Zusammensetzung der Artgemeinschaft beeinflussten. Letztendlich waren die Vogel- und Fledermausgemeinschaft jedoch am stärksten von Waldstrukturparametern wie der vertikalen Vegetationsstruktur geprägt, welche die lokale Habitatqualität widerspiegeln. Bei Fledermäusen war besonders die Aktivität von Arten, welche auf Waldstrukturen spezialisiert sind (v.a. Myotis spp.), in der Nähe von WEA reduziert. Große Rotordurchmesser und der Betrieb der WEA während hoher Windgeschwindigkeiten wirkten sich ebenfalls negativ auf Myotis ssp. aus. Folglich geht durch den den Betrieb von WEA indirekt Lebensraum für Vögel und Fledermäuse verloren. Dies sollte durch einen Ausschluss strukturreicher Wälder als WEA-Standorte vermieden oder durch Flächenkompensation ausgeglichen werden. Das Vorhandensein einer baumfreien Zone um die WEA hatte auf einige Fledermausgilden eine anlockende Wirkung. Diese Lichtungen wurden vor allem von Offenraumjägern (z.B. Nyctalus spp.) und Randstrukturjägern (Pipistrellus spp.) genutzt. Daraus ergibt sich für diese Arten ein erhöhtes Schlagrisiko im Wald im Vergleich zum Offenland. An Waldstandorten sollten daher Abschaltalgorithmen als bewährte Methode zur Kollisionsminimierung an WEA genutzt werden. Die für das Offenland etablierten Verfahren müssen gegebenenfalls an Waldstandorte angepasst werden. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass sich negative Effekte auf Vögel oder Fledermäuse über die trophische Kontrolle auf die Insektengemeinschaft auswirken. Die sozioökonomische Konfliktanalyse ergab, dass der Energiebedarf für Deutschland theoretisch unter Ausschluss aller Waldflächen als WEA-Standorte gedeckt werden könnte. Dabei würden sich allerdings erhebliche Konflikte mit Offenland-gebundenen Brutvögeln sowie mit Anwohnenden ergeben, welche bei einem Teilausschluss von z.B. nur Laub- und Mischwäldern deutlich geringer ausfallen würden. Hier muss also eine Abwägung von Interessen stattfinden.

Öffentlichkeitsarbeit

Unsere Ergebnisse wurden bzw. werden in Form von deutsch- und englischsprachigen Publikationen in Fachzeitschriften der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Des Weiteren wurden Ergebnisse bereits auf verschiedenen wissenschaftlichen, nationalen und internationalen Konferenzen präsentiert. Unser Austausch mit der Projektarbeitsgruppe (PAG) über die gesamte Projektlaufzeit hinweg sowie die Ausrichtung einer gut besuchten digitalen Abschlussveranstaltung sorgten dafür, dass unsere Erkenntnisse mit einer Reihe Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen aus dem Themenbereichen Windenergie, Natur- und Artenschutz geteilt und somit weitergegeben werden konnten.

Fazit

Im Rahmen des Projekts konnten wir das Wissen über die Auswirkungen von Windenergieanlagen (WEA) auf die biologische Vielfalt, insbesondere auf Vögel und Fledermäuse, erheblich erweitern. Beide Tiergruppen reagieren empfindlich auf WEA im Wald. Unter Umständen können diese Arten verdrängt werden. Unsere Forschung füllt eine Lücke im Verständnis des Konflikts zwischen Biodiversität und legt nahe, dass ein nachhaltiger, biodiversitätsfreundlicher Ausbau von WEA im Wald sich auf bewirtschaftete, strukturarme Standorte beschränken sollte und indirekte Habitatverluste ausgeglichen werden müssen. Zudem können habitatspezifische Abschalt-algorithmen Verdrängungseffekte und Kollisionsrisiken für Vögel und Fledermäuse verringern.

Übersicht

Fördersumme

414.580,00 €

Förderzeitraum

01.11.2019 - 28.02.2023

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Land use
Nature Conservation