Entwicklung von zielorientierten und effizienten Verfahren und Maßnahmen zur Erhöhung der BioDIversität in AgrarlandschafTEn — MEDIATE
Projektdurchführung
Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)
für Biodiversität
Bundesallee 56
38116 Braunschweig
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
MEDIATE stellt sich durch einen partizipativen Ansatz in zwei Landkreisen Niedersachsens dem Problem des Rückgangs der Biodiversität und der mangelnden Maßnahmenakzeptanz in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen. Fragen zur Ökonomie, Ökologie und Akzeptanz von Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität stehen im Zentrum der Arbeiten. Das übergeordnete Ziel von MEDIATE ist es, beispielhaft für eine Agrarregion zielorientierte und effiziente Verfahren und Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen zu entwickeln, auf kooperativem Wege umzusetzen und im Hinblick auf die landwirtschaftliche Maßnahmenakzeptanz den hohen Ansprüchen an die betriebliche Integrationsfähigkeit von Maßnahmen Rechnung zu tragen.
Dabei wurden insbesondere die folgenden Fragen adressiert:
Wie kann erreicht werden, dass Biodiversitätsziele als integraler Bestandteil der Flächenbewirtschaftung von Flächennutzern akzeptiert und umgesetzt werden?
Welche Maßnahmen in welcher Ausgestaltung und Vernetzung können dazu beitragen, den Rückgang an Lebensräumen und den darin vorkommenden Arten in Ackerbauregionen zielorientiert und effizient zu stoppen?
Welchen Beitrag zur Erhaltung und Erhöhung der Biodiversität kann das Greening (insbesondere die Einrichtung von ökologischen Vorrangflächen) und schon bisher angebotene AUM leisten?
Welche weiteren Potenziale (z. B. produktionsintegrierte Maßnahmen, Anbaudiversifizierung durch biodiversitätsfördernde Feldfrüchte) können gemeinsam mit den Flächennutzern identifiziert werden?
Welche Möglichkeiten der Anpassung und Optimierung von Maßnahmen(-bündeln) existieren?
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAls Untersuchungsregion dienten die beiden Landkreise Nienburg und Diepholz in Niedersachsen. In der Untersuchungsregion wurden, gemeinsam mit ansässigen Landwirt*innen und unter frühzeitiger Einbeziehung der vor Ort relevanten Akteur*innen, im Rahmen einer partizipativen Plattform, existierende Maßnahmen und Verfahren analysiert sowie optimierte Maßnahmen(-bündel) entwickelt, umgesetzt und getestet. MEDIATE begleitete hierbei zum einen die konkrete Umsetzung von Maßnahmen der ersten (Greening) und zweiten (AUM) Säule der GAP und führt Analysen und Bewertungen aus ökonomischer, landschaftsökologischer und naturschutzfachlicher Perspektive durch. Dadurch sollte eine Einschätzung der Biodiversitätswirkung der Standardumsetzung von Maßnahmen erzielt werden. Zum anderen wurden, parallel zu diesem Schritt, die entwickelten optimierten Maßnahmen auf Partnerbetrieben umgesetzt und hinsichtlich ihrer Biodiversitätswirkung geprüft. Das Projekt war in fünf Arbeitspakete (AP 0 - 4) unterteilt:
AP0: Projektmanagement und -koordination (Leitung: TI-BD, beteiligte Partner: alle)
AP1: Partizipative Entwicklung und Umsetzung von Verfahren und Maßnahmen (Leitung: LWK, beteiligte Partner: alle)
AP2: Ökonomische Analyse und Bewertung der vorgeschlagenen Maßnahmen und Politikempfehlungen (Leitung: TI-BW, beteiligte Partner: LWK)
AP3: Landschaftsökologische Analyse und Bewertung der aktuellen Umsetzung von Maßnahmen sowie von entwickelten Maßnahmenoptionen (Leitung: TI-BD, beteiligte Partner: UniGö, LWK)
AP4: Ökologische Begleituntersuchungen zur Umsetzung von Verfahren und Maßnahmen (Leitung: UniGö, beteiligte Partner: TI-BD, LWK)
Innerhalb dieser Arbeitspakete wurden i) die agrarstrukturelle und landschaftsökologische Ausgangssituation in der Projektregion sowie der Umfang und die räumliche Verteilung der Umsetzung von AUM analysiert, ii) auf ausgewählten Betrieben die Umsetzung von Greening-Maßnahmen erfasst und Potenziale für zusätzliche bzw. alternative Maßnahmenumsetzungen abgefragt, iii) im Rahmen der installierten partizipativen Plattform (PP) Diskurse zur Identifikation regionalspezifischer Zielvorstellungen durchgeführt, iv) eine Sammlung sämtlicher für Ackerflächen bekannter Maßnahmen zusammengestellt, für die eine positive Wirksamkeit auf die Förderung von Segetalflora, Arthropoden oder die Avifauna beschrieben ist oder nach Stand der Erkenntnisse zu erwarten sein würde, v) diese Maßnahmenliste den für eine Mitarbeit im Projekt gewonnenen Kooperationslandwirten vorgestellt und mit diesen diskutiert, vi) basierend auf diesem partizipativen Prozess vier Maßnahmen bestimmt, die den Weg in die Umsetzungsphase und die sich damit verbindende Begleitforschung fanden, vii) die Effekte der umgesetzten Maßnahmen auf die Ackervegetation (2016-2020), blütenbesuchende Insekten (2018) als auch die Revier- und Artenzahlen von Brutvögeln (2016-2019) sowie die Abundanz und den Artenreichtum nahrungssuchender Vögel im Winterhalbjahr im landwirtschaftlich genutzten Offenland (2016-2019) untersucht, viii) betriebswirtschaftliche Implikationen der MEDIATE-Maßnahmen anhand von vier Schwerpunktbetriebe untersucht und hierzu der Ackerbau der Betriebe jeweils einer betriebswirtschaftlichen Analyse unterzogen und die Kosten der MEDIATE-Maßnahmen betriebsindividuell dargestellt, ix) auf der Basis von wissenschaftlichen Studien, der Expertise im Projektteam und weiterer Biodiversitätsexpert*innen ein Zielkonzept für den Schutz der Biodiversität erarbeitet, welches einen normativen Rahmen für die anzustrebenden Veränderungen in einer Region darstellt und für die Ableitung betrieblicher Biodiversitätsszenarien verwendet, x) das Konzept in einem zweiten Schritt in der Partizipativen Plattform mit den regionalen Akteur*innen sowie im wissenschaftlichen Projektbeirat diskutiert und anschließend als Grundlage für die Ausarbeitung betrieblicher Biodiversitätsszenarien verwendet, die zusammen mit den Landwirt*innen der vier Schwerpunktbetriebe entwickelt worden waren, xi) zur ökonomischen Bewertung jedes Biodiversitätsziel für die Flächen der vier Betriebe konkret geplant, sodass jedes Maßnahmenbündel die Flächenumfänge der für das jeweilige Biodiversitätsziel benötigten Flächen erfüllte und auch die ökologischen und praktischen Kriterien möglichst gut einhielt, xii) auf Basis einer Gesamtbetrachtung der ökonomischen wie ökologischen Bewertungskriterien eine Reihe von Schlussfolgerungen und Empfehlungen zur Gestaltung des förderpolitischen Rahmens allgemein und der Gestaltung und Ausrichtung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen im speziellen abgeleitet.
Ergebnisse und Diskussion
Ausgangssituation: Die Ackerwildkrautflora in der Untersuchungsregion ist stark verarmt und reduziert auf Arten, welche die aktuelle Bewirtschaftung gut tolerieren. Die Brutvögel insbesondere von bodenbrütenden Offenlandarten, welche in den dichten, intensiv bewirtschafteten Kulturbeständen keine geeigneten Nistmöglichkeiten mehr finden, sind stark im Rückgang. Ein Maßnahmenanteil von 0,5 % in den Untersuchungsbereichen der Brutvögel war nicht ausreichend, um eine positive Veränderung zu bewirken. Die Kulturpflanzenvielfalt ist aus ökologischer Sicht als gering zu bewerten, da sich die angebauten Getreidearten von den Bewirtschaftungsabläufen sehr ähnlich sind und damit sehr homogene Habitatbedingungen aufweisen. Die Landschaft ist sehr homogen und fraktal, die Vielfalt auf Landschaftsebene also sehr gering. Ferner ist die Landschaft synchron. Das bedeutet, dass sie im Jahresverlauf sehr strukturarm ist.
Alle vier MEDIATE-Maßnahmen sind wirksam. Alle Maßnahmen bringen eine signifikante Steigerung der Ackerwildkrautartenzahl und -deckung. Dies kann auf das an die Bedürfnisse der Ackerwildkrautflora angepasste Management der Maßnahmen zurückgeführt werden - insbesondere die beiden Maßnahmentypen Extensiver Ackerstreifen und Einjähriger, brachliegender Feldrandstreifen als längerfristig hochwertiger für die Förderung der überwiegend einjährigen Ackerwildkrautflora eingestuft. Eine zusätzliche Wiederansiedlung von Ackerwildkrautarten durch die Integration in reguläre Blühmischungen, durch gezielte Aussaat oder auch der Mahdgutübertrag von regionalen Spenderflächen erscheint aber notwendig. Die Ausbreitung regional seltener, weniger verbreiteter Arten ist derzeit in der Förderpolitik nicht vorgesehen. Solche Arten werde typischerweise in sogenannten Negativlisten der Saatguthändler geführt, sodass kein Saatgut dieser Arten in entsprechende Mischungen integriert werden darf. Wenn das Ziel jedoch der Erhalt solch seltener Arten ist, sollten diese Regularien angepasst werden, um deren zumindest regionales Aussterben zu verhindern. Eine hohe Abundanz und Vielfalt der bestäubenden Insekten fanden sich auf eingesäten Wildpflanzen-Blühflächen und überjährigen Blühstreifen. In diesen Maßnahmen sowie in brachliegenden Feldrandstreifen fand sich eine größere Blütenabundanz und -vielfalt als auf extensiven Ackerstreifen. Es zeigte sich eine Korrelation der Insekten- und Bestäuberabundanz mit der Blütenabundanz auf den Flächen sowie mit dem Pollenangebot. Insgesamt zeigten sich positivere Effekte von Blühstreifen und brachliegenden Feldrandstreifen sowie von mehrjährigen Wildpflanzen-Blühflächen zur Biomasseproduktion gegenüber extensiven Ackerstreifen. Die geringe Saatdichte bei Blühstreifen (1g m-2) ist wirksam. Auch Tierarten, wie etwa bodenbrütende Feldvögel, profitieren von lichtem Bewuchs und offenen Bodenstellen (Nahrungs- und Fortpflanzungshabitate). Die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmenpflege ist sehr bedeutsam. Die Pflege hat einen essentiellen Einfluss auf den Erhalt der Maßnahmeneffekte. Hier besteht sowohl Forschungs- als auch Klärungsbedarf, insbesondere bezüglich des Abtransports, der Nutzbarkeit bzw. der Verwertung des Aufwuchses sowie der benötigten Technik/Maschinenausstattung. Geteilter Umbruch auch bei der Brache ist empfehlenswert. Dieser hat sich beim Blühstreifen für die Schaffung eines vielfältigeren Lebensraumes für unterschiedliche Organismengruppen der Agrarlandschaften bewährt (z. B. Feldvögel, Blütenbesucher, Pflanzen). Ein geteilter Umbruch bietet zudem gute zusätzliche Überwinterungsmöglichkeiten für Insekten und andere Tiere. Die Maßnahme Extensiver Ackerstreifen war aus landwirtschaftlicher Sicht meist nicht sinnvoll beerntbar (zu wenig Ertrag bzw. Reinigung/Aufbereitung von Erntegut zu aufwendig). Flexibilität bei den Vorgaben zu Maßnahmenumsetzung und -pflege aus Witterungsgründen sollte ermöglicht werden. Die Witterung kann einen entscheidenden Einfluss auf das ökologische Gelingen der Maßnahmen haben. Daher sollte es möglich sein, einzelne oder mehrere Parameter anzupassen, z. B. Bearbeitungszeitpunkte (u. a. Saatzeitpunkte anpassen, um Spätfrostschäden zu vermeiden) oder punktuelle Eingriffe zuzulassen (aus Akzeptanzgründen wäre es beispielsweise denkbar, die punktuelle Entfernung von Distelherden zu ermöglichen).
Die Honorierung von Biodiversitätsleistungen der Betriebe ist mitentscheidend, ob Biodiversitätsmaßnahmen zur Anwendung kommen. Das bisherige Kalkulationsverfahren für die Honorierung berücksichtigt die Situation in Gunstregionen jedoch nur unzureichend: Insbesondere für Betriebe mit hohen Opportunitätskosten stellen die bisherigen ELER-Prämien keinen ausreichenden ökonomischen Anreiz dar, um entsprechende Leistungen anzubieten. Es bedarf deshalb einer stärkeren regionalen Prämiendifferenzierung, die sich z. B. an räumlich differenzierten naturschutzfachlichen Zielen orientiert und die agrarstrukturelle sowie standörtliche Gegebenheiten berücksichtigt. Ein Pionier-/Türöffnungsbonus in den ersten drei Jahren gäbe Anreize für eine möglichst schnelle ökologischen Veränderung in der Landschaft. Analog und zusätzlich zum Pionierbonus sollte für jeden Betrieb abhängig von der Anzahl der Maßnahmen, der Maßnahmenflächen und des Gesamtumfangs der Maßnahmen ein Einführungsbonus ausgezahlt werden, der zur Verminderung der realen und gedanklichen Hürden bei der erstmaligen Umsetzung von Maßnahmen bzw. von Maßnahmenbündeln beiträgt. Dieser ist nicht zu verwechseln mit den Investitionskosten, die mit einzelnen Maßnahmen verbunden sind. Investitionskosten sollten dann erstattet werden, wenn sie anfallen; d. h. zum Beginn einer Maßnahme. Jede Maßnahme sollte mit einer Mindestdauer belegt sein, darüber hinaus ist die Laufzeit jährlich kündbar. Eine mögliche Staffelung könnte z. B. sein: 2-3 Jahre für produktionsintegrierte Maßnahmen wie extensivierte Ackerflächen und Brachen, 4 Jahre für Blühstreifen/-flächen und ggf. 5 Jahre für Feldraine und andere, eher dauerhaft angelegte Habitate. Während der Mindestlaufzeit sollte die Maßnahme an der gleichen Stelle bleiben. Wird der Ort gewechselt, beginnt die Mindestlaufzeit von vorne, die Maßnahme ist damit jedoch nicht wie momentan gescheitert. Verbleibt eine Maßnahme nach der Mindestlaufzeit auf einer konkreten Fläche, werden in regelmäßigen Abständen (beispielsweise alle zwei Jahre) Zusatzprämien dafür gezahlt. Diese Zusatzprämie könnte je nach Maßnahmentyp unterschiedlich groß sein. Dadurch gibt es einen Anreiz für eine räumlich möglichst konstante Maßnahmenlage, bietet gleichzeitig aber auch eine gewisse unternehmeri-sche/ackerbauliche Flexibilität.
Fazit
Die Erhaltung und Förderung eines möglichst diversen Arteninventars in heterogenen Agrarlandschaften gelingt nur im Rahmen einer integralen landschaftsraumbezogen Umsetzung in Anhängigkeit vom rezent prägenden Landnutzungssystem. Aus der Beratung und Begleitung der am Projekt mitwirkenden Landwirt*innen wurden strukturelle wie praktische Hemmnisse bei der Umsetzung von Maßnahmen identifiziert und daraus Erkenntnisse zur Aus- und Umgestaltung von Maßnahmen, welche eine landbauliche Optimierung des Werkzeugkastens bieten, erarbeitet. Hieraus ergaben sich folgende Empfehlungen:
Bepreisung und Honorierung des öffentlichen Gutes Biodiversität
Einfluss des Flächeneigentums strukturell adressieren
Korrekturmöglichkeiten bei Maßnahmenfehlentwicklungen und Einpreisen von maßnahmenbedingten Folgeschäden
Wissenstransfer und Veränderung des landwirtschaftlichen Selbstverständnisses notwendig
Landschaftsbezogene Betrachtung, Beratung und kollektive Umsetzung alternativlos
Uneingeschränkter Zugang zu spezifischen Beratungsangeboten essentielles strukturelles Erfor-dernis
Fördersumme
582.961,00 €
Förderzeitraum
01.01.2016 - 31.08.2021
Bundesland
Niedersachsen
Schlagwörter
Land use
Nature Conservation
Lower Saxony