Entwicklung einer übertragbaren Strategie zur naturverträglichen Biomassebereitstellung auf Landkreisebene am Beispiel der Landkreise Ostprignitz-Ruppin (Brandenburg) und Traunstein (Bayern)
Projektdurchführung
Technische Universität München (TUM)
Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Landbaues
Alte Akademie 14
85350 Freising
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Der Anbau von Energiepflanzen hat sich in den vergangenen Jahren in der landwirtschaftlichen Praxis vieler Regionen etabliert und belegt gegenwärtig bereits ein knappes Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland. Im Kontext dieser Entwicklung ist eine Debatte über darauf zurückgehende Auswirkungen und Veränderungen der Landnutzung sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht entstanden. In einigen Regionen führen Nutzungskonkurrenzen und gestiegene Flächennachfragen zur Einengung der Fruchtfolgen und zu einer starken Erhöhung von Pachtpreisen.
Die Frage nach der Naturverträglichkeit der Biomassebereitstellung stellt sich generell, unabhängig davon, ob die Biomasse im Energie- oder im Nahrungsmittelbereich Verwendung findet. Die Debatte um die ökologischen Auswirkungen zielt insbesondere auf Intensivierungsmaßnahmen in der Landnutzung ab, die in Wettbewerb zu Maßnahmen von Umwelt- und Naturschutz bzw. des Gewässer- und Trinkwasser-schutzes liegen.
Die zentrale Aufgabe der vorliegenden Untersuchung ist es, für zwei Untersuchungsregionen modellhaft Strategien zu entwickeln, die einen naturverträglichen Anbau von Energiepflanzen ermöglichen und stär-ken können.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Rahmen des Projektes wurde eine Methodik entwickelt, die aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes kulturarten- und standortspezifische Risiken für den Anbau von Energiepflanzen mit Hilfe von Geographischen Informationssystemen darstellbar macht. Herangezogen wurden überwiegend Standardmethoden der Landschaftsplanung und Agrarökonomie.
Die Aussagen zur Naturverträglichkeit basieren auf einer Ökologischen Risikoanalyse. Die Risikoeinstufung hinsichtlich der Naturverträglichkeit ergibt sich aus der Beeinträchtigungsintensität einer Kulturpflan-ze und der Empfindlichkeit des Standortes. Die Methodik dient dazu, für die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche der Untersuchungsregionen bereichsscharfe Empfehlungen pro Kulturart auszusprechen. Dafür wurde für jede Pflanze ein Entscheidungsbaum entwickelt, der jedem Standort eine der drei Flächen-kategorien zuordnet: ohne Nutzungseinschränkungen, mit spezifischen Nutzungsauflagen und die Empfehlung eine bestimmte Kulturart nicht anzubauen.
Die regionale Perspektive wurde gewählt, da zu erwarten ist, dass räumliche Entwicklungen und Landnutzungsmuster beobachtet werden können, die über einzelbetriebliche (Anbau-)Entscheidungen und singuläre Investitionsabwägungen für Biomasseanlagen hinausgehen. Die möglichen Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus auf eine gesamte Region und deren naturräumliche Ausstattung werden erfasst und dargestellt.
Ergebnisse und Diskussion
Unter Beteiligung von regionalen Akteuren aus den Bereichen Energie- und Landwirtschaft, Naturschutz sowie Tourismus wurden ausgehend vom Status Quo Szenarien entwickelt, die unter Berücksichtigung verschiedener Annahmen und Parameter die zukünftige Entwicklungen des Energiepflanzenanbaus in den Untersuchungsgebieten simulieren. Während ein Szenariostrang den Ausbau der Biogasnutzung mit steigender Flächennachfrage berücksichtigt, werden in einem zweiten Szenariostrang die Flächenbedarfe für einen weiteren Ausbau von Biotreibstoffen modellhaft abgebildet. Ebenso wurden in Varianten der Szenarien auch Aspekte eines möglichen Klimawandels integriert. In den Szenarien zum Klimawandel werden den Berechnungen andere Energiepflanzen und veränderte Hektarerträge zugrunde gelegt.
Die Ergebnisse der Ökologischen Risikoanalyse münden in pflanzenspezifische Empfehlungskarten. Hierzu wurden modellhaft Karten erstellt, in denen die Empfehlungen für alle untersuchten Pflanzen zu-sammenfassend dargestellt werden.
Die Flächenbilanzierung der jeweiligen Kategorie (a, b und c) ermöglicht eine Abschätzung und Diskussion von regionalen Möglichkeiten und Grenzen von spezifischen Kulturen. Werden die a- und die b-Flächen - also die Flächen, auf denen ein Anbau mit und ohne Maßnahmen empfohlen wird - betrachtet, so können flächenbezogene Obergrenzen der jeweiligen Kultur ermittelt werden.
Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass selbst bei weitgehenden Ausbauszenarien - ohne Berück-sichtigung der Nahrungsmittelkonkurrenz - aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes ausreichend Flä-chen in den Modellregionen zur Verfügung stehen, um die benötigte Biomasse bereit zu stellen. Der Anbau könnte also in der regionalen Fläche verteilt werden, ohne dass Risiken bei der Naturverträglichkeit auftreten. Es müsste jedoch gewährleistet werden, dass die Flächennutzung dort stattfindet, wo ein entsprechend geringes Risiko vorliegt bzw. Gegenmaßnahmen durchgeführt werden. Dabei müsste vorausgesetzt werden, dass die Flächenbelegung derart gesteuert werden kann. Der Anbau und die jeweilige Flächennachfrage von Energiepflanzen werden jedoch maßgeblich durch andere Faktoren, wie die Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln bzw. Anlagenstandorte und Transportkosten bestimmt.
Aufbauend auf Szenarien kann abgeschätzt werden, ob und in welchen Teilgebieten der Region eine Erhöhung der Biomassenachfrage Intensivierungen der landwirtschaftlichen Flächennutzung erwarten lässt. Auf Grundlage von Flächenkonkurrenzkarten ließe sich in der Planungsphase von Anlagen relativ ab-schätzen, wo der Bau höhere oder geringere Beeinträchtigungen der Naturverträglichkeit erwarten lässt.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Publikationen
- Demmeler, M.; Heissenhuber, A.; Schultze, C.; Korte, B.; Kleinschmit, B.; Köppel, J.; (2008): Wo der Mais Grenzen hat. DLG-Mitteilungen (2): 23-25.
- Heißenhuber, A.; Demmeler, M. (2008): Strategien zur naturverträglichen Biomassebereitstellung. In: Schriftenreihe Nachwachsende Rohstoffe Band 31: Symposium Energiepflanzen 24./25. Oktober 2007 in Berlin: 163-170.
- Kleinschmit, B.; Förster, M.; Korte, B.; Ross. L. (2006): Energie vom Acker - Potentiale und Risiken des Biomasseanbaus. GIS Business (8): 25-27.
- Korte, B.; Förster, M.; Kleinschmit, B. (2007): Land use change resulting from increased bioenergy production in Germany. In: E. Addink, A. Barendregt, D. Ettema, D. Karssenberg and T. Nijs (Edi-tors): Framing Land Use Dynamics II. Utrecht University, pp. 105-106.
- Schultze, C.; Köppel, J. (2007): Gebietskulissen für den Energiepflanzenanbau. Zeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung (9): 269-272.
- Schultze, C.; Kleinschmit, B.; Köppel, J. (2007): Wie viel Energie aus der Landwirtschaft verträgt unsere Umwelt? Zeitschrift TU International (60): 6-8.
- Schultze, C.; Demmeler, M.; Korte, B.; Köppel, J.; Kleinschmit, B.(2008): Planerische Ansätze für naturverträglichen Biomasseanbau. In: Wissenschaftsverbund Umwelt Rostock (Hrsg.): Nutzungskonflikte bei nachwachsenden Rohstoffen. Schriftenreihe. In Druck.
- Simon, S.; Demmeler, M.; Heissenhuber, A. (2007): Bioenergie versus Ökolandbau: Flächenkonkurrenz als Entwicklungshemmnis? - Bioenergy versus organic agriculture: Is competition for land restricting the development? 9. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau vom 20. bis 23. März 2007 in Stuttgart-Hohenheim. Tagungsband. S. 421-424.
Vorträge - Präsentationen
- 17.05.06 Behördeninterne Informationsveranstaltung für den Landkreis Ostprignitz-Ruppin beim Planungsamt in Neuruppin
- 06.06.06 Informationsveranstaltung für regionale Akteure in Ostprignitz-Ruppin im Technologie- und Gründerzentrum Neuruppin
- 28.08.06 Methodik-Treffen zur Ökologischen Risikoanalyse mit der Universität Hannover/SUNREG II an der TU Berlin
- 09.10.06 Informationsveranstaltung für regionale Akteuren im Chiemgau in Übersee
- 13.12.06 Statusseminar DBU, Osnabrück
- 05.02.07 Vortrag auf dem Kolloquium Umweltwissenschaften an der Universität Kiel
- 27.02.07 Vortrag auf der ANL-Tagung in Ingolstadt
- 21.03.07 Posterpräsentation auf der Wissenschaftstagung zum Ökologischen Landbau in Stuttgart Hohenheim zum Thema: Bioenergie versus Ökolandbau: Flächenkonkurrenz als Entwicklungshemmnis?
- 14.05.07 Arbeitstreffen mit SUNREG II an der Universität Hannover (Vorträge)
- 23.05.07 Vortrag auf dem Workshop des Dendrom-Projektes der FH Eberswalde bei der IHK in Potsdam (Vortrag)
- 29.05.07 Vortrag auf dem Arbeitstreffen zur Vorbereitung des Workshops in OPR mit dem Büro Fugmann-Janotta und PL3 in Berlin (Vortrag)
- 12.06.07 Posterpräsentation auf der Fachtagung Energiepflanzen im Aufwind des ATB Potsdam-Bornim bei der IHK Potsdam (Präsentation)
- 25.06.07 Workshop und Vorträge mit regionalen Akteuren in Neuruppin
- 27.07.07 Workshop und Vorträge mit regionalen Akteuren in Traunstein/ Chiemgau
- 25.10.07 Vortrag auf dem Energiepflanzensymposium der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe in Berlin
- 29.11.07 Vortrag auf dem Statusseminar DBU, Osnabrück
- 04.12.07 Vortrag auf der Bauernwoche der Bayerischen Landvolkbewegung in Steingaden/ Wies
- 14.12.07 Vortrag auf der Tagung Nutzungskonflikte bei Nachwachsenden Rohstoffen des Wissenschaftsverbund Um-Welt an der Universität Rostock
Internet
Das Projekt wurde auf einer Internetseite dem interessierten Fachpublikum und der Öffentlichkeit präsen-tiert.
Fazit
Besondere Bedeutung kommt der entwickelten Methode dahingehend zu, den Dialog zwischen Landwirtschaft und Naturschutz zu präzisieren. Von staatlicher Seite sollte im Rahmen einer stärker regionalisierten Ausrichtung dem landwirtschaftlichen Erzeuger demnach für die Erlangung von Leistungen, die über das Niveau der Cross-Compliance-Forderungen hinausgehen, der Verzicht auf das Recht der alleinigen Anbauentscheidung entgolten werden. Verbesserte Beratungsangebote könnten dann die Landnutzer unterstützen, angepasste Nutzungsformen beim Energiepflanzenanbau bzw. der Lebens- und Futtermittelproduktion einzusetzen und das Risiko für den Naturschutz vermindern.
Das Projekt hat in sehr gut funktionierender interdisziplinärer Zusammenarbeit das gestellte Ziel erreicht. Im Verlauf der Untersuchung hat sich ausblickend gezeigt, dass ein praktischer Test der Methodik in wei-teren Regionen die Übertragbarkeit untermauern könnte. Für die praktische Anwendung und auch in der politischen Diskussion erscheint eine flexible Festlegung der Grenzen der Naturverträglichkeit zukünftig sicherlich wünschenswert. Hierfür wäre eine noch weitergehende Automatisierung der Untersuchungsabläufe durch Programmierungen sinnvoll.
Fördersumme
254.860,00 €
Förderzeitraum
14.12.2005 - 14.12.2007
Bundesland
Bayern
Schlagwörter
Bavaria
Climate protection
Land use
Nature Conservation
Umweltforschung
Environmental communication
Umwelttechnik