Förderschwerpunkt Biotechnologie: Gerichtete Evolution einer Phenylalanin-Ammoniak-Lyase zur effizienten enzymatischen Synthese chiraler Amine
Projektdurchführung
Universität Greifswald
Institut für Biochemie
Biotechnologie & Enzymkatalyse
Felix-Hausdorff-Str. 4
17487 Greifswald
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Chirale Amine und Aminoalkohole haben eine große Bedeutung in der organisch-chemischen und pharmazeutischen Industrie. Sie finden Verwendung für die Produktion enantiomerenreiner Carbonsäuren durch fraktionierte Kristallisation und als chirale Auxiliare und Liganden in enantioselektiven chemischen Synthesen. Besonders hervorzuheben ist der Bedarf an enantiomerenreinen Aminen als Intermediate für die pharmazeutische Industrie und Agrochemie. Neben der selektiven Kristallisation der Enantiomere (max. 50 % Ausbeute) und chemischen Verfahren, stellt bislang die Lipase-katalysierte Racematspaltung das wichtigste enzymatische Verfahren dar. Allerdings werden hier ebenfalls maximal 50 % Ausbeute erreicht und bei Aminoalkoholen ist zusätzlich die Einführung bzw. Entfernung von Schutzgruppen notwendig.
Phenylalanin-Ammoniak-Lyasen (PAL) katalysieren die reversible Addition von Ammoniak an Zimtsäure unter Bildung von optisch reinem L-Phenylalanin. Besonders gut untersucht und rekombinant in E. coli exprimierbar ist das Isoenzym PAL1 aus der Petersilie Petroselinum crispum.
Das Ziel des Projekts ist die Veränderung der Substratspezifität und Aktivität der PAL, um diese zur Synthese von chiralen Aminen bzw. Aminoalkoholen, ausgehend von ungesättigten Substraten, darzustellen. Dieses soll sowohl durch rationales Proteindesign als auch durch gerichtete Evolution der PAL erreicht werden. Ziel ist die Erzeugung von PAL-Varianten mit hoher Enantioselektivität, Aktivität und der Fähigkeit auch Substrate ohne Carboxylgruppe umzusetzen, um einen effizienten und umweltfreundlichen Zugang zu chiralen Aminen und Aminoalkoholen zu ermöglichen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFolgende Arbeitsschritte wurden angewendet: Computer Modeling: Autodock4/Autogrid4, automatisiertes Docking von Substraten ins aktive Zentrum unter Verwendung des lamarckischen genetischen Algorithmus; YASARA: Molekulardynamische Simulationen in einer periodischen Wasserbox unter Verwendung des Amber99-Kraftfelds; VMD: Analyse und Visualisierung der von YASARA generierten Trajektorien; rationales Proteindesign, mechanistische Untersuchungen, molekularbiologische Methoden: positionsgerichtete Mutagenese nach dem QuikChange®-Protokoll, Generierung von fokussierten Mutantenbibliotheken durch positionsgerichtete Sättigungsmutagenese; Mikrobiologische und biochemische Methoden: Mikrotiterplatten-basierte (MTP) photometrische Hochdurchsatzassays, Mutantenbibliotheken in MTP, Hochdurchsatz-Proteinexpression in MTP, Durchmusterung der Mutantenbibliotheken, Selektionsassay auf Minimalmedium, Bestimmung von kinetischen Parametern von Enzymen (Michaelis-Menten-Kinetik), Proteinaufreinigung, Affinitätschromatographie, Ionenaustauschchromatographie, Gelfiltration.
Ergebnisse und Diskussion
Zunächst sollte durch fokussierte, gerichtete Evolution der Phenylalanin-Ammoniak-Lyase aus Petroselinum crispum (pcPAL) Aktivität gegenüber Phenylalaninol generiert werden. Dazu wurde eine Selektionsmethode auf Minimalmedium ohne N-Quellen etabliert und zwei fokussierte Mutantenbibliotheken mit Mutationen der Aminosäurepositionen 348, 350 und 354 in der ersten Bibliothek und 487, 488 in der zweiten Bibliothek durchmustert. Auf diese Weise konnte jedoch kein Klon mit Aktivität gegenüber Phenylalaninol generiert werden. Daher wurde ebenfalls das Hochdurchsatzscreening der Bibliothek mit photometrischen Assays begonnen. Ebenfalls ohne Erfolg. Moleküldynamische Simulationen zeigten, dass Phenylalaninol aufgrund der fehlenden Carboxylgruppe nicht im aktiven Zentrum zu stabilisieren war. Daher wurde das Substrat zum Tyrosin-Analogon Tyrosinol gewechselt. Durch rationales Design wurde die Einzelmutante Phe137His vorgeschlagen, was in Simulationen zu einer Stabilisierung des Substrats führte. Dieser Mutante konnte tatsächlich Aktivität gegenüber Tyrosinol nachgewiesen werden. Da ähnliche oder höhere Aktivitäten in echten Tyrosin-Ammoniak-Lyasen zu erwarten waren, wurde die rsTAL aus Rhodobacter sphaeroides als synthetisches Gen mit optimierter Codon-usage bestellt. Die rsTAL zeigte ähnliche Aktivitäten gegenüber Tyrosinol wie die pcPAL. Es wurden verschiedene Mutantenbibliotheken sowie rationale Punktmutationen der pcPAL-Phe137His-Mutante und der rsTAL generiert und nach erhöhter Aktivität durchmustert. Es konnte keine Mutante mit erhöhter Aktivität gegenüber Tyrosinol identifiziert werden. Daher wurde nach alternativen Substraten gesucht. Sowohl Tyrosinamide als auch Tyrosinhydrazid können von pcPAL-Phe137His und rsTAL umgesetzt werden. Es wurden Biokatalysen zur Aminierung verschiedener ?,?-ungesättigter Substrate durchgeführt und analysiert. Para-Nitrozimtsäure stellte sich als ein besonders geeignetes Substrat heraus. Darüber hinaus wurde durch moleküldynamische Simulationen eine neue Hypothese über den Mechanismus der Katalyse entwickelt, basierend auf einer einzigen, den chemischen Mechanismus der Katalyse bestimmenden Aminosäure Glu484 (pcPAL).
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Im Rahmen des Projekts wurde an Fachvorträgen auf der Biocat2008 in Hamburg und auf der Enzyme Engineering Conference in Groningen, Niederlande, mit einem Posterbeitrag teilgenommen.
Ein Ergebnis des Projekts wurde in einer internationalen Fachzeitschrift mit Peer-Review-Begutachtung publiziert: Bartsch, S., Bornscheuer, U.T.: A single residue influences the reaction mechanism of ammonia lyases and mutases, Angew. Chem. Int. Ed., 2009, 48, 3362-3365.
Fazit
Im Projektverlauf konnten die für gerichtete Evolution notwendigen Methoden einschließlich des Hochdurchsatzscreenings erfolgreich etabliert werden. In ersten Mutantenbibliotheken konnte keine Aktivität gegenüber Phenylalaninol generiert werden. Computermodeling erwies sich als hilfreiche Methode zur Analyse der Substratbindung im aktiven Zentrum des Enzyms. Aufgrund dessen wurde die Verwendung von Tyrosinol als besser geeignetes Substrat in Kombination mit der pcPAL-Mutante Phe137His vorgeschlagen und tatsächlich geringe Aktivität gemessen. Da ähnliche oder höhere Aktivitäten in echten Tyrosin-Ammoniak-Lyasen zu erwarten waren, wurde die rsTAL aus Rhodobacter sphaeroides als synthetisches Gen mit optimierter Codon-usage bestellt. Die rsTAL zeigte ähnliche Aktivitäten gegenüber Tyrosinol wie die pcPAL. Es wurden verschiedene Mutantenbibliotheken sowie rationale Punktmutationen der pcPAL-Phe137His-Mutante und der rsTAL generiert und nach erhöhter Aktivität durchmustert. Es konnte keine Mutante mit erhöhter Aktivität gegenüber Tyrosinol identifiziert werden. Daher wurde nach alternativen Substraten gesucht. Sowohl Tyrosinamide als auch Tyrosinhydrazid können von pcPAL-Phe137His und rsTAL umgesetzt werden. Es wurden Biokatalysen zur Aminierung verschiedener ?,?-ungesättigter Substrate durchgeführt und analysiert. Para-Nitrozimtsäure stellte sich als ein besonders geeignetes Substrat heraus.
Aufgrund von moleküldynamischen Simulationen wurde eine neuartige Hypothese über den bisher umstrittenen Mechanismus entwickelt, basierend auf einer einzigen, den chemischen Mechanismus der Katalyse bestimmenden Aminosäure Glu484 (pcPAL), und mit Experimenten bestätigt.
Fördersumme
125.000,00 €
Förderzeitraum
01.09.2007 - 31.08.2009
Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern
Schlagwörter
Resource conservation
Umwelttechnik