Innovative Signalverarbeitung in der Umweltseismik
Projektdurchführung
Ruhr-Universität BochumFakultät für ElektrotechnikLehrstuhl für Signaltheorie
Universitätsstr. 150
44780 Bochum
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Ein zentrales Thema im Umweltschutz ist die Untersuchung von Verdachtsflächen, von denen eine Gefahr für die Schutzgüter Boden, Luft und Wasser ausgehen könnte. Geophysikalische Methoden bieten in diesem Anwendungsfeld neue Ansätze, um effizient und flächenhaft Erkundungsarbeiten durchzuführen. Hierbei ermöglichen besonders seismische Verfahren eine hohe Auflösung von Strukturen im Untergrund.
Seismische Verfahren, die in der Erdöl-/Erdgasexploration erfolgreich angewendet werden, können nicht ohne eine Anpassung zur Erkundung von kleinräumigen oberflächennahen Strukturen übertragen werden. Hier sind die Meßtechnik und die Signalverarbeitung gefordert. Die Aufgabe in der Umweltseismik besteht darin, spezielle Methoden zur Datenerfassung, -verarbeitung und -auswertung zu entwickeln und an konkreten Anwendungsfällen zu erproben. Eine effiziente Datenerfassung und Signalverarbeitung dient nicht zuletzt der Verringerung des Meßaufwands und macht umweltseismische Untersuchungsverfahren damit wirtschaftlich nutzbar. Umweltseismische Methoden liefern einen flächenhaften Schnitt des Untergrundes entlang eines Meßprofils, während mit Bohrungen nur punktuelle Informationen gewonnen werden können. Die Ergebnisse lassen sich leicht in Untergrundmodelle umsetzen, die auch von Kollegen anderer Fachdisziplinen genutzt werden können.
In der Umweltseismik werden die Raumwellen, die üblicherweise zur Auswertung kommen, durch leistungsstarke Oberflächenwellen überlagert. Ziel des Forschungsprojektes ist es deshalb, geeignete Verfahren zur Erfassung und Auswertung umweltseismischer Meßdaten zu entwickeln.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt wurde in drei Phasen aufgeteilt: Verfahrensklärung, Methodenentwicklung und Praxiserprobung. Im ersten Projektabschnitt wurden Verfahren untersucht, mit denen eine Verbesserung der Filtertechniken für Oberflächenwellen erzielt werden kann. Ebenso wurden neue Ansätze verfolgt, bei denen die Oberflächenwellen nicht als Störsignale, sondern als weitere Informationsträger zur Strukturerkundung des oberflächennahen Untergrundes betrachtet werden. Im zweiten Projektabschnitt stand die Entwicklung der Meß- und Auswertetechnik zur umweltseismischen Erkundung im Mittelpunkt. Dazu wurden verschiedene Feldversuche durchgeführt und ein umfangreiches Programmpaket erstellt. In der dritten Projektphase wurde ein marktreifes mobiles seismisches Array (FAST24, Fast Array for Seismik Tasks) entwickelt und gebaut. Parallel dazu wurde eine benutzerfreundliche graphische Schnittstelle für das Programmpaket erstellt. Mit dem Programmpaket wurden weitere Meßdaten mit unterschiedlichen umwelttechnischen Fragestellungen analysiert und die erzielten Resultate publiziert.
Ergebnisse und Diskussion
Im Rahmen des Projekts konnte gezeigt werden, daß die Kombination moderner hochauflösender Signalverarbeitungsverfahren mit einer effizienten Modellierung des seismischen Wellenfelds für den oberflächennahen Untergrund zu neuen Impulsen in der Umweltseismik führt. Hierzu zählt hauptsächlich die Hinzunahme der Oberflächenwellen als Informationsträger zur Strukturerkundung des oberflächennahen Untergrundes. Durch die Betrachtung des vollständigen Wellenfeldes (Raumwellen und Oberflächenwellen) lassen sich umweltseismische Datensätze auswerten, die aufgrund der Überlagerung von Raum- und Oberflächenwellen bisher nur unzureichend ausgewertet werden konnten. Das neu entwickelte Inversionsverfahren paßt geschichtete Untergrundmodelle an die Meßdaten mit Hilfe der hochauflösenden Maximum-Likelihood-Inversionstechnik an. Im Unterschied zu linearen Inversionsverfahren bleibt bei dieser Vorgehensweise ein nichtlineares Optimierungsproblem für die lithologischen Parameter des Untergrunds zu lösen. Zur Lösung des Problems wurden genetische Optimierungsstrategien untersucht. Diese Algorithmen sind bei geeigneter Parametrisierung des Untergrunds (z.B. Gesteinsdichte, Kompressions- und Scherwellengeschwindigkeit, Mächtigkeit) in der Lage, das Untergrundmodell mit der besten Anpassung an die Meßdaten zu finden. Diese Vorgehensweise wird seit geraumer Zeit auch in ähnlich gelagerten Anwendungen im Rahmen der Unterwasserakustik angewendet. Problematisch war bisher die Übertragung dieser Verfahren auf elastische Ausbreitungsbedingungen. Durch den Einsatz numerischer Verfahren zur Modellierung der Ausbreitung seismischer Raum- und Oberflächenwellen konnten diese Methoden in der Umweltseismik eingesetzt werden. Ein wesentlicher Vorteil des neu entwickelten Inversionsverfahrens ist, das die Analyse einer seismischen Messung automatisch nach Vorgabe eines einfachen Startmodells für den Aufbau des Untergrundes über das gesamte Meßprofil durchgeführt werden kann und keine weiteren Bearbeitungsschritte bis einschließlich zur Abbildung des Untergrundmodells erforderlich sind. Zur einfachen Nutzung des Programmpakets wurde eine graphische Benutzerschnittstelle erstellt, um den Einsatz des Softwarepakets ohne Vorkenntnisse über interne Zusammenhänge im Programmablauf zu ermöglichen.
Das Verfahren wurde an Datensätzen mit unterschiedlichen geologischen Fragestellungen eingesetzt. In einem rekultivierten ehemaligen Tagebaugebiet wurden entlang eines Profils Bodenverdichtungen nachgewiesen, die den Ertrag der landwirtschafltich genutzten Fläche beeinflussen. Auf einem Deichabschnitt des Elbe-Lübeck-Seitenkanals konnte der innere Aufbau des Deichkörpers ermittelt werden. Die Datenerfassung dazu erfolgte mit dem im Projekt entwickelten mobilen seismischen Array (FAST24). Damit konnte gezeigt werden, daß das FAST24 für eine effiziente und wirtschaftliche seismische Datenaufnahme eingesetzt werden kann.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Ergebnisse aus dem Projekt wurden in internationalen und nationalen geophysikalischen und elektrotechnischen Fachzeitschriften publiziert. Ebenso wurden die Ergebnisse mit Fachleuten auf entsprechenden Konferenzen diskutiert. Hierzu gehörte auch ein Vortrag bei der Jahrestagung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft 1998 in Braunschweig, die Darstellung des Projektes auf einer Unternehmerreise nach Hangzhou (China) und die Ausstellung des FAST24 auf der Messe IFAT 1999 in München. Darüber hinaus wurden Diplom- und Studienarbeiten zur Themenstellung vergeben. Treffen mit Lehrstühlen anderer Universitäten gleicher Ausrichtung wurden für Vorträge über Aufgaben und Ziele des Projektes genutzt.
Fazit
Im Rahmen des Projektes konnte ein neuartiges Auswertesystem für umweltseismische Anwendungen erstellt werden, das die in den seismischen Raum- und Oberflächenwellen enthaltenen Informationen zur Abbildung des Untergrundaufbaus nutzt. Diese Technik eignet sich speziell für die Erkundung des oberflächennahen Untergrundes, der für umweltspezifische Fragestellungen von besonderer Bedeutung ist. Die Datenerfassung mit dem FAST24 in Kombination mit der neuentwickelten Auswertesoftware konnte erfolgreich zur Strukturerkundung des oberflächennahen Untergrundes eingesetzt werden. Dabei zeigen sich für die Zukunft weitere Einsatzgebiete wie z.B. Hohlraumortung, Lokalisierung verdeckter Fundamente und Kartierung des Grundwasserspiegels.
Fördersumme
377.808,91 €
Förderzeitraum
15.02.1996 - 25.07.2000
Bundesland
Bundesrepublik Deutschland
Schlagwörter
Bundesrepublik Deutschland
Umwelttechnik