Projekt 08499/01

Technikakzeptanz im Niedrigenergiehaus

Projektdurchführung

Universität KasselFachgebiet Technische Gebäudeausrüstung
Gottschalkstr. 28
34109 Kassel

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die praxisnahen Einflüsse wie Anlagenkonzept, Regelungsstrategie, Bedienerschnittstelle, Nutzungsverhalten und Nutzerverhalten auf den Heizenergieverbrauch in Niedrigenergiewohngebäuden - und damit die Erklärung für die Diskrepanz zwischen berechnetem Bedarf und gemessenem Verbrauch - soll bei unterschiedlichen Lüftungsstrategien durch Feldmessung an baugleichen Objekten und technisch-sozialwissenschaftliche Bewohnerbefragung quantifiziert werden.
Aus den Ergebnissen leiten sich Empfehlungen zur Energieverbrauchsminimierung bei gleichzeitiger Komfortmaximierung ab, die den Zielgruppen Hausbewohner, Handwerker, Architekten, Planer und Hersteller zur Verfügung gestellt werden sollen und damit alle am Bau beteiligten Gruppen erreichen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenGeeignete Basis für die Feldmessung bietet eine Siedlung in Holzständerbauweise gemäß Niedrigenergiestandard, wovon in 28 baugleichen Reihenmittelhäusern detaillierte Messtechnik installiert ist. Die Objekte sind identisch bezüglich Gebäudegeometrie, Dämmung, Orientierung und Standort aber mit unterschiedlicher Heizungs- und Lüftungstechnik von neun verschiedenen Herstellern ausgestattet. Die Messtechnik erfasst neben dem Außenklima die leitungsgebundenen Energien, die einzelnen Raumtemperaturen, ausgewählte Mischgas- und Feuchtewerte sowie alle Öffnungszeiten der Außenfenster und -türen.
Die Bestandsaufnahme in der Heizperiode 1999/2000 dient der Erhebung aller energetisch relevanten und objektiv nutzerbedingten Größen sowie der psychologischen Daten durch die Bewohnerbefragung.
Durch zusammenführende Auswertung - ergänzt durch Simulationsergebnisse - lässt sich der Zustand des Bestands bewerten. Daraus ergeben sich die Handlungsschritte für die konkrete Systemoptimierung, die sowohl das Nutzer- und Nutzungsverhalten der Bewohner als auch die Anlagentechnik umfasst. Die Heizperiode 2000/2001 dient der Erfolgskontrolle. Aus der anschließenden Abschlussbewertung und der Schwachstellenanalyse können eindeutige Empfehlungen und Handlungsanweisungen ab-geleitet werden.


Ergebnisse und Diskussion

Mechanische Wohnungslüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bieten ein Einsparpotential an Primärenergie, das im vorliegenden Feldmessprojekt mit etwa 10 bis 15 kWh/m²a beziffert werden kann. Zwingende Voraussetzung, dieses Potential auszuschöpfen, ist der Verzicht der Bewohner auf das Fensterlüften während der Heizperiode. Das reale Lüftungsverhalten in der Angersiedlung Leipzig zeigt jedoch keineswegs generelle Verzichtbereitschaft. Vielmehr liefern die Messdaten Fensteröffnungszeiten von bis zu 24 Stunden pro Tag in der Heizperiode. Dabei folgt das Lüftungsverhalten einer starken Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur, mit deutlich sichtbaren Lüftungsstrategien, die von der jeweiligen Raumnutzung bestimmt werden: in Schlafzimmern überwiegend Nachtlüftung, in Wohnzimmern dagegen Taglüftung. Das Fensterlüften erfolgt dabei keineswegs gedankenlos oder aus reiner Gewohnheit - die Bewohner sind sich des Einflusses auf den Energieverbrauch durchaus bewusst - sondern einerseits aus dem Bedürfnis nach frischer Luft, das zeitweise und für manche Räume bzw. Raumnutzung nicht durch die mechanische Lüftungstechnik erfüllt werden kann, andererseits aus dem Bedürfnis nach kühler Schlaftemperatur. Die zentrale Anlagentechnik kann diesem zeitlich und örtlich unterschiedlichen Bedarf an Luftmengen und Lufttemperaturen nicht genügen, woraus sich für zukünftige Entwicklungen die Forderung nach bedarfsgerechten technischen Lösungen ableitet.
Die Befragung bescheinigt insgesamt die Zufriedenheit der Bewohner mit dem Raumklima durch mechanische Belüftung. Bei vereinzelt angegebener Unzufriedenheit über Raumluftfeuchte oder Geruch konnten keine Zusammenhänge zu gemessenen Werten festgestellt werden. Die Bedienbarkeit hat bei einigen Anlagen zu Ärger und Unzufriedenheit geführt, ein Einfluss auf den Energieverbrauch durch resultierende Verhaltensweisen (Fensterlüften) ist nicht nachweisbar. Eine große Diskrepanz zeigt sich zwischen überwiegend kühler Wunschtemperatur in den Schlafräumen und den dort gemessenen Temperaturen von 20 bis 24 °C.
Die Hygieneuntersuchungen zeigen einen protektiven Effekt der untersuchten Lüftungsanlagen bezüg-lich der Belastung der Zuluft durch Bakterien und Pilzsporen (mittlere Reduktionsrate der Anlagen für Bakterien 79 % und für Pilzsporen 72 %). Die signifikant niedrigeren Bakterien- und Pilzsporenkonzentrationen der Zuluft versus Außenluft dokumentieren eine positive Wirkung der Anlagen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass keine der Lüftungsanlagen, weder im Sommer noch im Winter, eine Quelle mikrobiologischer Belastungen im Innenraum darstellt (keine negativen Effekte nachweisbar), Umluftsysteme sollten aus mikrobieller Sicht jedoch vermieden werden. Während der Heizperiode (durchgängiger Betrieb der Wohnungslüftungsanlagen) zeigen sich wider Erwarten keine signifikanten Unterschiede der Pilzsporenkonzentration in der Raumluft und im Hausstaub von künstlich und natürlich belüfteten Wohnzimmern. Es ist zu vermuten, dass bei Wohnzimmern der Einfluss der Nutzungscharakteristika gegenüber dem Anlageneinfluss dominiert.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Zwischenergebnisse wurden vorgestellt auf folgenden Veranstaltungen:
- Felduntersuchungen an Niedrigenergie-Gebäuden - Ergebnisse und Auswirkungen. Viertes Fachforum Innovative Lüftungstechnik, OTTI-Kolleg, 06.-07.02.2001 Regensburg.
- Projektvorstellung Energiesysteme im Wohnungsbau. Workshop Wohnungslüftung Quo vadis?, 22.02.2001 Universität Kassel
- Felduntersuchungen an Niedrigenergie-Gebäuden - Ergebnisse und Auswirkungen. Seminar Bayerische Hausbau, München.
- Niedrigenergiehäuser - Erfahrungen und Ergebnisse aus Feldmessungen. 5. Dingolfinger Baufachtag, L.V.S-Bayern, 09.11.2001 Dingolfing.
- Energetische Gebäudeoptimierung - Helfen lüftungstechnische Anlagen Energie einzusparen? 41. Technische Tagung, Österreichischer Kachelofenverband, 30.01-01.02.2002 A-Wels.
Beiträge für Fachzeitschriften sind in Vorbereitung.


Fazit

Den in der Praxis untersuchten Wohnungslüftungsanlagen kann eine breite Nutzerakzeptanz bescheinigt werden. Trotz der eingesetzten mechanischen Lüftung wird energetisch kontraproduktiv über Fenster gelüftet, motiviert durch individuelle Wünsche bezüglich Raumluftqualität und -temperatur. Zur Umsetzung des energetischen Einsparpotentials, nur möglich bei unterbleibendem Fensterlüften in der Heizperiode, sind daher bedarfsgerechte Techniken (Stichwort Einzelraumregelung) die Herausforderung für zukünftige Entwicklungen.

Übersicht

Fördersumme

93.444,73 €

Förderzeitraum

01.12.1999 - 31.03.2002

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Climate protection
Resource conservation
Umweltforschung
Umwelttechnik