Entwicklung und Erstellung einer Experimentalanlage zur industriellen Herstellung von Universalbauplatten aus Lehm und nachwachsenden Rohstoffen
Projektdurchführung
Klinkerwerke Heinrich W. Muhr
46446 Emmerich
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Ziel des Projektes ist die erstmalige Erprobung und Optimierung eines patentierten Verfahrens zur automatisierten Herstellung einer ebenfalls patentierten und neuartigen, mehrschichtigen Bauplatte aus Pflanzenfasern und Leichtlehmkomponenten
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDer Projektablauf entspricht dem üblichen Ablauf einer technischen Entwicklung: Konstruktion, Bau , Erprobung, Optimierung der Anlagentechnik. Ein besonderes Merkmal dieses Projektes stellt die Kooperation zwischen einem Klinkerhersteller (Fa. Muhr) und einem Hersteller von Lehmprodukten (Fa. Breidenbach) dar. Der Entwicklungsprozeß zur Konstruktion der Anlage wird von beiden gemeinsam durchgeführt. Die Fa. Muhr baut die Anlage und befasst sich insbesondere mit der Optimierung der Anlagentechnik. Der Kooperationspartner Fa. Breidenbach übernimmt im weiteren Verlauf des Projektes die auf das Produkt ausgerichteten Entwicklungsaufgaben (z.B. bauphysikalische Prüfungen). Generell hat die Inbetriebnahme und Funktionsfähigkeit der Anlagentechnik vorrang vor experimentellen Arbeitsschritten des Projektes. Daneben stellt die Vorbereitung und Durchführung bauphysikalischer Prüfungen ein Novum im Lehmbau dar, die hier für ein neu entwickeltes Lehmbauteil erstmals umfassend durchgeführt werden.
Ergebnisse und Diskussion
1. Das Herstellungsverfahren
Die technische Problemstellung besteht darin, das Leichtlehmgemisch auf ein Textilgewebe aus Jute schichtweise aufzutragen mit dazwischen eingebetteten mehrlagigen Schilfrohrhalmen zur Armierung. Das grundlegende Verständnis dieser technischen Aufgabe als eine Beschichtung von Textilgewebe führte zu einer Systeminnovation, die auf der TechTextil den Innovationspreis 1997 erhielt. Die Anlage besteht im wesentlichen aus 4 Teilen - von der Mischanlage bis zur Kalibrierung - und weist eine Länge von über 50 m auf, wobei jede Teilstrecke technische Detailprobleme birgt. Nach bisherigen Erfahrungen haben sich die anfänglichen Probleme bei Förderung des Materialgemisches über längere Distanzen durch den Einsatz feinstkörniger Lehme mit höheren Tonanteilen verbessert. Darüber hinaus konnte bewiesen werden, daß technische Detailprobleme mit den schwankenden Qualitäten natürlicher Rohstoffe (Lehmarten, Jutegewebe, Schilfrohr etc.) sich auch im Rahmen eines automatisierten Industrieverfahrens lösen lassen. Die Abkehr von einer chargenweisen Trocknung, wie z.B. bei Lehmbausteinen, hin zu einer kontinuierlichen Trocknung des Plattenstranges hat Innovationscharakter. Vor allem durch ein besseres Verständnis der technisch-physikalischen Zusammenhänge im laufenden Betrieb konnten Lösungswege erarbeitet werden, die in Zukunft zu einer wesentlichen Senkung des Energiebedarfs führen werden. Dabei erscheint es aus heutiger Sicht besonders wichtig, eine kontinuierlichere und höhere Produktionsleistung zu erzielen.
2. Kreislaufführung
Die gut verwertbaren ausgefilterten Stäube und feste Zuschnittreste werden in den Mischer zurückgeführt und auf diese Weise direkt im Produktionsprozeß wiederverwertet.
3. Bauphysikalische Eigenschaften der neuen Platte
Die Lehmbauplatte wurde entsprechend amtlicher Prüfbedingungen der Klasse B1 zugeordnet. Selbst bei einfachsten Konstruktionen gelang der Nachweis eines Feuerwiderstandes entsprechend F30. In orientierenden Prüfungen konnte sogar ein F90 Feuerwiderstand erreicht werden. Die hervorragenden Schallschutzeigenschaften mit bis zu 57 dB bei einfachen Trockenbaukonstruktionen bieten auch unter Kostengesichtspunkten beim Bau von Decken, Innenwänden und Vorsatzschalen eine leistungsfähige Alternative. Für viele Planungsentscheidungen wird die Lehmbauplatte damit eine berechenbare Größe und kann bei Ausschreibung besser als bisher berücksichtigt werden.
4. Verarbeitungstest
Ohne Nutung der Platte erweist sich eine Stoßausbildung im Feld als stabil. Die Armierung der Stöße mit Gewebestreifen genügt selbst bei hohen Torsionskräften. Handelsübliche Gipskarton- und Hohlraumdübel lassen sich problemlos in der Platte befestigen. Ebenso berichten die Tester vom Zuschnittverhalten, daß übliche Kreissägen und Stichsägen sauber, schnell und relativ staubarm arbeiten. Insgesamt zeigt sich, daß für die Verarbeitung keine zusätzlichen Entwicklungen für Kleber, Befestigungsmaterial oder Werkzeuge notwendig sind. Die hohe Stabilität bei Durchfeuchtung der Platte und ihre ausreichende kapillare Leitfähigkeit erlauben den Einsatz als verlorene Schalung. Damit ergeben sich Arbeitserleichterungen bei bestimmten Innenausbauten.
5.Modifikationen
Zum einen konnte eine Lehmbaufliese hergestellt werden, deren einlagige Schilfrohrarmierung bei einer Stärke von 15 mm zu erheblich besserer Auslastung der Produktionsanlage führt. Die Fliese läßt sich auf schadhaften, unsauberen Untergründen leicht und ohne große Vorbereitung verarbeiten. Die Verformbarkeit der leicht restfeuchten Fliese und die reversiblen Lehmkleber erfüllen Anforderungen des Denkmalschutzes, z.B. zum Erhalt lebendig geformter Oberflächen. Zum anderen zeigen Experimente zur Integration einer Wandflächenheizung in die Platte bei Hexatherm und die Entwicklung einer Akustikplatte durch Beschichtung mit einem speziellen Feinputz weitere Ansätze für Produktvariationen.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Lehmbauplatte wurde auf der DEUBAU in Essen 1996, auf der Lehm ´97 und im Rahmen der Swissbau in Basel als Neuheit präsentiert. Auf der wichtigsten britischen Baumesse Interbuilt in Birmingham im Dezember 1997 sorgte ein namhafter Vertriebspartner in Großbritannien für große Aufmerksamkeit. Ferner ist die Platte als ein Bauteil in die neu verfassten Regeln zum Bauen mit Lehm des Dachverbandes Lehm aufgenommen und beschrieben worden.
Fazit
Erst am Ende des Jahres ´98 wird eine ca. 30%-Kapazitätsauslastung der Anlage erreicht. Mit Hilfe der Förderung ließen sich die Anlaufprobleme bei allen Einzelkomponeten der Anlage, von der Steuerung bis zum Zuschnitt und beim Zusammenspiel der insgesamt vier Module der Anlage lösen oder es wurden Lösungswege herausgearbeitet. Aus einem nur als Patentschrift bestehenden Plan ist eine funktionsfähige und teilweise schon optimierte Produktionsanlage entstanden, die ein neues Produkt aus Leichtlehm und nachwachsenden bzw. natürlichen Rohstoffen in verschiedenen Varianten umweltfreundlich herstellt. Damit hält die Industrialisierung auch im Lehmbau Einzug. Zusammen mit den amtlichen Baustoffprüfungen und Verarbeitungstests erschließen sich neue Anwendungsgebiete (z.B. im Trockenbau) für den Baustoff Lehm. Das doppelte Risiko einer Markteinführung für ein neues Produkt bei gleichzeitiger Erprobung des dafür nötigen automatisierten Herstellungsverfahrens im industriellen Maßstab konnte im wesentlichen gemeistert werden.
Fördersumme
309.450,21 €
Förderzeitraum
20.11.1995 - 17.12.1998
Bundesland
Nordrhein-Westfalen
Schlagwörter
Climate protection
Resource conservation
Umweltforschung
Umwelttechnik