Verfahren zur Herstellung von Kunststoff-Formteilen aus oberflächlich angeschmolzenem Kunststoffgranulat
Projektdurchführung
Dr. Ing. Werner NeuVerfahrenstechnik GmbH
Eichenwinkel 1
89281 Altenstadt
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Ausgangsmaterial für die Herstellung von Kunststoff-Formteilen ist im Regelfall ein Kunststoffgranulat (mittlerer Korndurchmesser 4 - 6 mm), welches durch Energiezufuhr vollständig aufgeschmolzen und in diesem Zustand ausgeformt und anschließend durch Wärmeabfuhr bis zur Erstarrung abgekühlt und dann entformt werden kann. Die erforderliche Abkühl- oder Formstandzeit steigt mit der Wandstärke des Formteils exponentiell an. Ziel des Projektes war es, nur durch Anschmelzen der Oberfläche des Granulatkornes den Wärmebedarf beim Formprozeß zu senken und durch einen inneren Wärmeaustausch zwischen schmelzflüssiger Oberfläche und kaltem Granulatkern die Formstandzeit erheblich zu reduzieren.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Entwicklungsarbeiten zur Herstellung von Kunststoff-Formteilen aus oberflächlich angeschmolzenem Kunststoffgranulat teilen sich in folgende Arbeitsschritte auf:
- Zusammenstellung der thermodynamischen Grundlagen bezüglich der Wärmeübertragung durch instationäre Wärmeleitung in einem ruhenden kugelförmigen Granulatkorn.
- Erarbeitung thermodynamischer und strömungsmechanischer Ansätze bei der instationären Wärmeübertragung in einem heißdampf- oder heißluftdurchströmten Granulathaufwerk unter Anwendung mathematischer Iterationsmethoden. - Bau eines Versuchsreaktors für die gleichmäßige, oberflächliche Anschmelzung eines kontinuierlich zugeführten Kunststoff- granulates zur experimentellen Überprüfung der erforderlichen Druckdifferenz für das Heizmedium in Abhängigkeit von der zugeführten Granulatmenge pro Zeiteinheit, der Granulatschütthöhe, der Heizmediumtemperatur, des Granulatkorndurchmessers etc. auf der Basis der theoretisch ermittelten Kenndaten.
Für die Ermittlung der thermodynamischen und strömungsmechanischen Grundlagen ist neben der instationären Wärmeleitung auch der Einfluß des instationären Heizmediumgeschwindigkeitsverlaufes im angeschmolzenen Granulathaufwerk zu berücksichtigen.
Ergebnisse und Diskussion
Es konnte theoretisch wie experimentell nachgewiesen werden, daß es für die Hauptparameter Anströmgeschwindigkeit und Temperatur des Heizmediums (z. B. Luft), Höhe der Granulatschüttung, Granulatkorngröße, zugeführte Granulatmenge pro Zeiteinheit etc. ein Anwendungsfenster existiert, in dem im industriellen Maßstab dickwandige Kunststoff-Formteile mit einer homogenen Materialstruktur unter erheblicher Energie- und Fertigungszeiteinsparung hergestellt werden können.
Anzumerken ist, daß bereits in den ersten Vorversuchen wie auch in den Anfängen der fundierten experimentellen Untersuchungen im Projektmaßstab die Machbarkeit der Verfahrensidee einschließlich der technischen Umsetzung des Verfahrens nachgewiesen werden konnte. Es zeigte sich jedoch sehr bald, daß das Experiment allein bei der Verfahrensentwicklung wegen der komplizierten gegenseitigen Einflußnahme der Hauptparameter nicht ausreichte. Es waren daher umfangreiche Vorarbeiten auf dem Gebiet der Thermodynamik und Strömungsmechanik erforderlich.
In der einfach aufgebauten Versuchsapparatur ist gezeigt worden, daß eine Endlosplatte z. B. aus einem Polyolefin mit einer Enddicke von 22 mm, bei einer Anströmgeschwindigkeit von ca. 10 m/s und einer Lufttemperatur von 260°C mit 3 cm/s aus dem Versuchsreaktor gezogen werden kann. Die Heizzeit der Schüttung beträgt 5 s und der notwendige Preßdruck in der nachgeschalteten Doppelbandpresse kann auf 5 bar begrenzt bleiben. Die Plattenbreite ist beliebig und wird durch die Abmessungen des Versuchsreaktors und der Doppelbandpresse begrenzt. Die Plattendicke ist ebenfalls bei unveränderter Abzugsgeschwindigkeit wählbar und wird durch eine Mehrstufenanordnung des Reaktors erreicht. Dieses Mehrlagensystem gestattet z. B. den Einbau von Festigkeitsträgern in das Fertigprodukt oder die Verwendung von Recyclaten im Platteninneren. Die Materialkennwerte der Plattenware liegen z. B. für die Kerbschlagzähigkeit und für die Bruchdehnung bis zu 20 % über den Angaben der Materialhersteller, sicherlich beeinflußt durch die kurzzeitige thermische Belastung des Thermoplasten.
Aus ökonomischer Sicht eignet sich das Fertigungsverfahren nur für Formteile mit einer Mindestwandstärke von 10 mm - 15 mm, da für dünnwandige Formteile die herkömmlichen Fertigungszeiten nur geringfügig zu unterbieten sind. Aus ökologischer Sicht überzeugt die drastische Reduzierung des Wärmebedarfs beim Umformprozeß und damit die Einsparung an Heizenergie. Der mittlere Energiebedarf bei den beschriebenen Anschmelzverfahren beträgt 0,072 kWh/kg Thermoplast (z. B. PE oder PP). Herkömmliche Fertigungsverfahren wie z. B. die Kombination von Aufschmelz-Extruder und Formpressen benötigen unter Vernachlässigung sämtlicher Wärmeleitungs-, Strahlungs- und Konvektionsverluste mindestens 0,9 kWh/kg. Hierdurch ist eine Reduzierung des Energiebedarfs um den Faktor 12 bis 14 erreicht. Dieser Einsparungseffekt ist zunächst aufgrund der Voruntersuchungen nicht erwartet worden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Im Laufe der Verfahrensentwicklung sind insgesamt 9 Patentanmeldungen veröffentlicht worden, davon sind zwischenzeitlich nach sorgfältiger Prüfung bereits 8 Patente erteilt worden. Es existieren bereits enge Kontakte mit mittelständischen Unternehmen sowohl auf der Anwenderseite als auch auf der Seite der Anlagenbauer. Es wird kurzfristig beabsichtigt, die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen.
Fazit
Die in dem Projekt erarbeiteten Ergebnisse zeigen, daß unter Ausnutzung der geringen Wärmeleitfähigkeit eines Thermoplastes es gelingt, Kunststoffgranulat im Haufwerk mit einem geeigneten Heizmedium bei hoher Temperatur und geeignetem Vordruck innerhalb weniger Sekunden oberflächlich anzuschmelzen, so daß sich unter anschließendem Preßdruck das noch poröse Haufwerk homogen zusammenpressen läßt. Der Wärmeaustausch zwischen schmelzflüssiger Oberfläche und dem noch kalten Kern eines jeden Granulatkornes führt dazu, daß sich innerhalb weniger Minuten im gepreßten Haufwerk unabhängig von der Schichthöhe eine kalorische Mitteltemperatur einstellt, bei der das Werkstück entformt werden kann. Dabei kann der Gesamtenergiebedarf im Vergleich zu herkömmlichen Formpreßverfahren um einen Faktor 10 reduziert werden. Das Verfahren ist industriell anwendbar.
Fördersumme
208.806,49 €
Förderzeitraum
06.02.1995 - 04.11.1999
Bundesland
Bayern
Schlagwörter
Bavaria
Climate protection
Resource conservation
Umweltforschung
Umwelttechnik