Nachhaltigkeit gilt als Megatrend unserer Zeit. Nachhaltiges Handeln signalisiert Verantwortung für unseren Planeten und für zukünftige Generationen. Die Nachhaltigkeit von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen kann dabei als positives Verkaufsargument genutzt werden. Nachhaltigkeitsberichterstattung ist vielfach erwünscht und im Rahmen des EU Green Deal für eine große Zahl an Unternehmen vorgeschrieben. Doch wie lässt sich Nachhaltigkeit messen? Die DBU fördert Instrumente und Kompetenzen der Nachhaltigkeitsbewertung (siehe unten). DBUaktuell sprach mit Melanie Vogelpohl vom DBU-Referat MINT-Bildung und Nachhaltigkeitsbewertung, was diese Bewertungen leisten können.
DBUaktuell: Was definiert eine Nachhaltigkeitsbewertung?
Melanie Vogelpohl: Bei der Nachhaltigkeitsbewertung handelt es sich um eine Evaluierung der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer Dienstleistung, eines Produkts, eines Projekts, eines Unternehmens oder einer Politik. Nachhaltigkeitsbewertungen helfen also, die Nachhaltigkeit von Produkten, Technologien usw. qualitativ und quantitativ bewerten zu können und sie liefern auch die Grundlage, um auf Basis dieser Daten das eigene Handeln nachhaltiger ausrichten zu können.
DBUaktuell: Wer sollte – oder muss – sich damit befassen?
Vogelpohl: In erster Linie sind hier größere Unternehmen gefragt. Das Thema hat jedoch weit darüber hinaus Relevanz für zuliefernde Betriebe, die Finanzwirtschaft, aber auch für uns Konsument*innen. Für Unternehmen bieten Nachhaltigkeitsbewertungen das Potenzial, die wirklich kritischen Stellen im Bereich Nachhaltigkeit im eigenen Handeln aufzudecken und so z.B. Energie- und Ressourcenverbräuche zu reduzieren. Durch den Green Deal der EU sind in Zukunft allein in Deutschland rund 15.000 Unternehmen zu einer Nachhaltigkeitsberichtserstattung verpflichtet. Für diese Unternehmen sind aber auch die Daten ihrer Lieferketten relevant. Somit wird sich die Datenerhebung auch auf viele weitere kleine und mittlere Unternehmen ausweiten. Der Green Deal zielt zudem auch auf die Finanzwirtschaft, denn Investitionen sollen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umgelenkt werden. So wird die Finanzwirtschaft verpflichtet, Informationen darüber bereitzustellen, wie sie mit negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen und Risiken ihrer Investitionen umgeht, und dies auch in Beratungsgesprächen mit ihren Kund*innen zu thematisieren. Hier und auch darüber hinaus ist für Konsument*innen ein Grundverständnis der Nachhaltigkeitsbewertung relevant, denn nur so können sie fundierte Kauf- und Investitionsentscheidungen treffen und sich nicht von „Greenwashing” blenden lassen.
DBUaktuell: Wie sieht eine solche Bewertung im Einzelnen aus?
Vogelpohl: Es existiert eine Reihe von Methoden, um unterschiedliche Aspekte von Nachhaltigkeit zu bewerten, beispielsweise Lebenszyklusanalysen oder Ökobilanzen und Standards, an die Unternehmen sich bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten halten können, wie die Globale Reporting Initiative (GRI) oder der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK). Zu Beginn muss dabei festgelegt werden, welche Bereiche der Nachhaltigkeit und welche zugehörigen Indikatoren betrachtet werden sollen. Mit Indikatoren lässt sich der abstrakte Begriff der Nachhaltigkeit tatsächlich messen. Das sind zum Beispiel der kumulierte Energieverbrauch, die CO2-Emissionen, die Recyclingquote oder auch die Frauenquote im oberen Management oder die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern aus dem Ausland, die Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit erfassen.
DBUaktuell: Warum sind Nachhaltigkeitsbewertungen für die DBU ein Thema?
Vogelpohl: Nachhaltigkeitsbewertungen sind komplex und eine große Herausforderung, gerade auch für unsere Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen. Ein Fokus liegt daher auf der Entwicklung einfacher und standardisierter Bewertungssysteme für Branchen, die vom Mittelstand geprägt sind. Aktuell ist das zum Beispiel der Bereich Werkzeugbau. Auch die Herausforderungen der Scope 3-Dimensionen, also beispielsweise CO2-Emissionen, die in der Lieferkette entstehen, sind Thema in Förderprojekten, da hier oft die meisten Emissionen entstehen. Hier fördern wir Ansätze, wie diese erfasst werden können. Darüber hinaus nehmen wir Zukunftsthemen in den Blick, wie die Bewertung der Biodiversität und Ökosystemleistungen. Wichtig ist dabei vor allem, dass es nicht bei der Bewertung bleibt, sondern konkrete Handlungen abgeleitet werden, die zu einem nachhaltigeren Handeln beitragen.
Mit dem Förderthema 1 „Instrumente und Kompetenzen der Nachhaltigkeitsbewertung sowie Stärkung von Nachhaltigkeitsbewusstsein und -handeln“ engagiert sich die DBU dafür, die Entwicklung, Gestaltung und Akzeptanz nachhaltiger Produkte und Prozesse durch das Sichtbarmachen von Nachhaltigkeitsauswirkungen zu unterstützen und Nachhaltigkeitsbewusstsein und Nachhaltigkeitsbildung gesamtgesellschaftlich zu verankern.
In einem Projekt der Universität Hamburg soll beispielsweise ein Prozess zur vollständigen Erfassung von Scope-3-Emissionsdaten entwickelt werden. Das Verfahren soll möglichst effizient gestaltet und dabei realistisch umsetzbar sein, indem an interne Prozesse von Unternehmen und Datenanbietenden angeknüpft wird (AZ 38194). CSRD-Reporting und Biodiversität: Wie wesentlich ist das Thema für mein Unternehmen? Diese Frage steht im Fokus eines DBU-Projektes mit der Umweltstiftung Michael Otto, in dem noch in diesem Jahr ein praxisnaher Leitfaden für eine CSRD-konforme, wissenschaftsbasierte und gleichzeitig kosteneffiziente Wesentlichkeitsanalyse entwickelt werden soll (AZ 39351). Finanzielle Anreize und gezielte Beratung für den Lebensmitteleinzelhandel stehen im Fokus eines Vorhabens der Leibniz-Fachhochschule Hannover mit der Edekabank AG. Nachhaltigkeitsbewertung soll hier als Basis für Kreditanreize dienen (AZ 37417). Wie gelingt nachhaltiger Klimaschutz in der Milchviehhaltung? Dazu wird in einem Projekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ein Internet-Dashboard erarbeitet, das verschiedene Treibhausgas-Minderungsmaßnahmen inklusive eines Leitfadens präsentiert (AZ 36093).
Sie haben auch eine innovative Idee, um Nachhaltigkeitsbewertung, -bewusstsein und -handeln voranzubringen? Hier geht es zu unseren Förderkriterien: https://www.dbu.de/foerderung/projektfoerderung/