Osnabrück. Kirchen und Klöster, Burgen und Schlösser, das Wikinger Museum Haithabu in Schleswig-Holstein, die Speicherstadt in Hamburg oder der Kölner Dom: Mehr als 40 Orte und Gebäude in Deutschland sind von der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) als Welterbe anerkannt. Was diese Unesco-Stätten hierzulande und weltweit auch eint: Sie sind teils wegen der Folgen der Klimakrise im Bestand bedroht. Ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit 121.355 Euro gefördertes Projekt, das vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (Icomos), der Unesco und dem Weltklimarat (IPCC) gemeinsam durchgeführt wird, soll diese Gefahr ins Bewusstsein rücken – und bedeutet aus Forschungssicht eine Premiere.
„Trotz Bedeutung kaum Beachtung im globalen Klimadiskurs“
„Denn erstmals erfolgt durch das Projekt eine detaillierte Bestandsaufnahme über den aktuellen Wissensstand zu den Zusammenhängen von Klimawandel und Kulturerbe auf internationaler Ebene“, sagt Constanze Fuhrmann, Leiterin des DBU-Referats Umwelt und Kulturgüter. Umweltveränderungen im Zuge des Klimawandels würden sich in teils gravierendem Ausmaß auf historische Kulturgüter auswirken. Gleichzeitig sei der Kulturerbesektor ein wichtiger Akteur für das Verwirklichen der Ziele des Pariser Klimaschutz-Abkommens. Auch hier müssten entsprechende Anpassungsmaßnahmen und Strategien zur Schadensminimierung entwickelt und Emissionen verringert werden. „Trotz der Bedeutung findet das Thema kaum Beachtung im globalen Klimadiskurs“, sagt Fuhrmann. Diese Lücke sei so bald wie möglich zu schließen, denn eine aussagekräftige Grundlage etwa für künftige Schutzmaßnahmen beim Kulturerbe sei unabdingbar. „Ich bin sehr optimistisch, dass dieses Projekt der Start für eine erste tiefgehende Analyse zu den Zusammenhängen zwischen Klimafolgen und der lauernden Gefahr für den Bestand des Kulturerbes sein kann“, so Restauratorin und Kunsthistorikerin Fuhrmann. Forschungsdefizite könnten aufgedeckt, notwendige Schritte eingeleitet werden.
Zusammenarbeit mit dem Internationalen Rat für Denkmalpflege
Maßgeblich beteiligt an dem Vorhaben ist der Internationale Rat für Denkmalpflege (engl. International Council on Monuments and Sides, Icomos), eine seit 1965 bestehende internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Paris mit mehr als 10.500 Mitgliedern und insgesamt 107 Nationalkomitees. Das Projekt wird fachlich von dem Deutschen Nationalkomitee von Icomos, der Unesco Paris und dem Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) begleitet.
Nach den Worten der DBU-Referatsleiterin soll das Vorhaben dazu beitragen, Forschungslücken zu den klimatischen Auswirkungen auf das Kultur- und Naturerbe zu ermitteln und mögliche Schutz- und Anpassungsstrategien für das Kulturerbe zu identifizieren. Fuhrmann: „Die Projektergebnisse sollen in die IPCC-Berichterstattung einfließen.“
Internationales Treffen in der zweiten Jahreshälfte
Aus diesem Grund wird in der zweiten Jahreshälfte ein virtuelles Treffen mit internationalen Fachleuten organisiert. Rund 70 Teilnehmende aus Wissenschaft, Forschung, Kulturerbe-Einrichtungen und der Praxis werden über den aktuellen Forschungsstand diskutieren und Empfehlungen für die zukünftige IPCC-Berichterstattung erarbeiten. Im Vorfeld dieses dreitägigen Treffens findet ein Diskussionsforum mit ausgewählten Fachleuten aus Deutschland statt. Neben DBU, Icomos und Unesco sind unter anderem Vertreterinnen und Vertreter von IPCC Deutschland sowie aus der Denkmalpflege, der Restaurierung, der Archäologie und der Klima- und Kulturerbeforschung eingeladen. Die Ergebnisse werden als Hintergrundwissen für das internationale Treffen dienen.
Entwicklung innovativer Methoden
Seit Gründung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt 1991 gehört die Bewahrung und Sicherung von national wertvollem Kulturgut mit Blick auf schädliche Umwelteinflüsse zu den fest verankerten Förderschwerpunkten. Mit Überarbeitung der Förderleitlinien wurde auch der vom Menschen verursachte Klimawandel als eigenständiger Forschungsaspekt mit aufgenommen. Fuhrmann: „Das ist deshalb so wichtig, weil sich bislang weder ein nationales Forschungsprogramm noch andere Förderoptionen damit befassen.“ Die DBU fördere insbesondere die Entwicklung und Anwendung innovativer Methoden, Verfahren und Produkte. Die Herausforderungen auf dem Gebiet sind immens: So stellt der klimatische Wandel vielfältige Anforderungen an die Gartendenkmalpflege, gleiches gilt für die nachhaltige Instandhaltung von Bauwerken.