Cuxhaven. Wer in den nächsten Tagen Bagger auf der DBU-Naturerbefläche Cuxhavener Küstenheiden bei der Arbeit sieht, mag im ersten Moment nicht an Naturschutz denken. Die Maschinen werden in den kommenden Wochen vorsichtig rund 2.000 Kubikmeter der oberen Bodenschicht mitsamt der nährstoffreichen Humusdecke zwischen Berensch und Wilhelm-Lemke-Turm abschieben, sodass der darunterliegende Sandboden wieder zutage kommt. Ein nächster Schritt, um besondere offene Heidelandschaften auf Binnendünen wiederherzustellen. Der Zeitpunkt für die Naturschutzmaßnahme ist wohlgewählt: Nach dem Ende der Brut- und Setzzeit sowie vor Beginn der Winterruhe der seltenen Zauneidechsen.
NLWKN-Projekt auf DBU-Naturerbefläche
Die rund 1.400 Hektar große DBU-Naturerbefläche Cuxhavener Küstenheiden gehört mit ihren typischen Sandböden zur atlantischen Region und ist als Teil des Nationalen Naturerbes gänzlich dem Naturschutz gewidmet. Um die biologische Vielfalt in den Küstenheiden zu erhalten, entsteht ein Wald-Heide-Mosaik im Rahmen des von der EU geförderten Integrierten LIFE-Projektes „Atlantische Sandlandschaften“. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) setzt das Vorhaben in Kooperation mit dem Bundesforstbetrieb Niedersachsen und dem DBU Naturerbe, einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) sowie Eigentümerin der Fläche, um.
Nächster Projektschritt: Baggerarbeiten für den Naturschutz
Im ersten Projektschritt rodeten Forstarbeiter im Winter 2020/2021 rund fünf Hektar Wald beispielsweise zwischen Berensch und Wilhelm-Lemke-Turm, da Bäume wie die Schwarzkiefer dem Heidekraut Licht und Raum nahmen. Einzelne geeignete Bäume erhielten die Naturschützer als Brut- und Höhlenbäume. Nun startet der nächste Projektabschnitt. „Auf ausgewählten Teilflächen auf rund dreieinhalb Hektar werden Forstmulcher zunächst den Bewuchs und die obere Bodenschicht oberflächlich bearbeiten. Dann werden Bagger die gemulchte Streuauflage und die nährstoffreiche Humusschicht des Bodens abschieben, da Heiden auf Binnendünen einen nährstoffarmen Boden wie den darunterliegenden Sand benötigen“, erklärt Bundesforstrevierleiter Dominik Sucker-Weiß, der die Fläche im Auftrag des DBU Naturerbes vor Ort betreut. Damit die Baufirma den abgebaggerten Boden nicht mit Lastkraftwagen über weite Wege durch das Naturschutzgebiet transportieren muss, wird er standortnah in die Furchen von Rückegassen verfüllt. Die Gassen nutzten Forstarbeiter, um gerodete Bäume aus dem Wald zu ziehen. Im Zuge der Maßnahmen werden die Bagger die Wurzelstümpfe der gerodeten Bäume ausgraben. Einen Teil dieser sogenannten Stubben wollen die Naturschützer als Strukturelement für die Reptilien an der Fläche aufhäufen. Im Fokus der Naturschutzmaßnahmen steht auch eine zweite Teilfläche im Nordosten der Küstenheiden: Im Holter Steertmoor wird die Baufirma anschließend eine rund 1,5 ha große Fläche nach ähnlichem Prinzip bearbeiten.
Ziel: Seltene Heiden auf Binnendünen wiederherstellen
„Wir haben Reptilienschutzzonen mit rotem Absperrband markiert. Auf rund einem Drittel der Fläche werden keine Bagger zum Einsatz kommen, da wir hier die streng geschützte Zauneidechse vermuten. Zudem achten wir darauf, dass das natürliche Relief der Dünen erhalten bleibt“, so Sucker-Weiß. Das Ziel der Maßnahme: Seltene Lebensräume wiederherstellen wie etwa Trockene Sandheiden mit Krähenbeere auf Dünen im Binnenland. In Deutschland zählen offene Binnendünen heute zu den sehr seltenen Lebensräumen und stehen unter dem Schutz der Europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH). „Eine Vielzahl an spezialisierten Pflanzen- und Tierarten wie die Sand-Segge oder bestimmte Wildbienenarten benötigen genau diese Biotope: Wald-Heide-Mosaike mit offenen Sandflächen, Heidevegetationen, flechtenreiche Areale sowie Horst- und Höhlenbäume“, ergänzt Kristof Meyn, der beim NLWKN die Maßnahmenumsetzung federführend betreut.
Maßnahme sicherheitstechnisch und archäologisch begleitet
Sämtliche Arbeiten werden durch eine engmaschige Bauüberwachung seitens des Forstreviers Altenwalde sowie des NLWKN Hannover begleitet. Zudem flankiert eine Archäologin die Naturschutzmaßnahme, da auf den Cuxhavener Küstenheiden Relikte der Jungsteinzeit vermutet werden. Die Vorhaben sind eng mit der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Cuxhaven sowie der Stadtarchäologie Cuxhaven im Konzept abgestimmt. Eine beauftragte Fachfirma wird die ehemals militärisch genutzte Fläche zuvor auf Kampfmittel sondieren, um die Arbeitssicherheit zu gewährleisten.
Hintergrund zum DBU Naturerbe
Das DBU Naturerbe verantwortet als Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) den Naturschutz auf 71 überwiegend ehemaligen Militärflächen mit rund 70.000 ha in zehn Bundesländern. Auch in Folge der Wiedervereinigung und des langanhaltenden Friedens in Europa hat der Bund bislang etwa 164.000 ha wertvoller Naturfläche als Nationales Naturerbe ausgewiesen und an Stiftungen, Naturschutzverbände oder Bundesländer übertragen. Zum Nationalen Naturerbe zählen ehemals militärisch genutzte Gebiete, Flächen entlang der früheren innerdeutschen Grenze, Treuhandareale und stillgelegte Braunkohletagebaue. Im DBU Naturerbe sollen offene Lebensräume mit seltenen Tier- und Pflanzenarten durch Pflege bewahrt, Wälder möglichst ohne menschlichen Eingriff ihrer natürlichen Entwicklung überlassen, artenarme Forste zu naturnahen Wäldern umgewandelt und Feuchtgebiete sowie Gewässer ökologisch aufgewertet oder erhalten werden. Zudem möchte die DBU-Stiftungstochter Menschen für die heimische Natur begeistern.
Hintergrund zum Integrierten LIFE-Projekt „Atlantische Sandlandschaften“
Die Maßnahmen sind Teil des von der Europäischen Union geförderten Projekts „Atlantische Sandlandschaften“ zum Erhalt der biologischen Vielfalt, das gemeinsam von den Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird. Charakteristische Biotope der atlantischen biogeographischen Region wie zum Beispiel Heide- und Dünenlandschaften, artenreiche Borstgrasrasen und nährstoffarme Stillgewässer sollen dabei nachhaltig aufgewertet oder entwickelt werden. Auch die Bestände der für diese Lebensräume typischen Arten wie Knoblauchkröte, Kreuzkröte, Schlingnatter und Zauneidechse sollen gestärkt werden.
Für die zehnjährige Laufzeit des Projekts steht beiden Ländern insgesamt ein Budget von 16.875 Millionen Euro zur Verfügung. 60 Prozent der Mittel werden von der Europäischen Union gestellt, jeweils 20 Prozent von den beiden Bundesländern. Die Gesamtverantwortung für das Vorhaben liegt in Nordrhein-Westfalen beim Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV). Die operative Umsetzung der konkreten Einzelmaßnahmen in Niedersachsen liegt beim Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU).
Weitere Informationen sind im Internet unter www.sandlandschaften.de und unter www.nlwkn.niedersachsen.de verfügbar.
Ansprechpartner bei Fragen zum LIFE-Projekt: Herr Kristof Meyn, Tel. +49 511 3034-3318
Ansprechpartner bei Fragen zur DBU-Naturerbefläche Cuxhavener Küstenheiden: Herr Dominik Sucker-Weiß, Tel. +49 4723 713590