Visionäres Wohnen: Wie aus Sperrmüll Designerstücke werden

„Schrott-Hotel“ zeigt: Leben in Recycling-Möbeln ist „In“ – DBU förderte wegweisende Projekte

Köln. Wohnen im Müll? Das will keiner, sollte man meinen. Doch in Köln ist aus einem ehemaligen Stunden- ein „Schrott-Hotel“ entstanden. Eingerichtet ist es nur mit Gegenständen, die andere weggeworfen haben. Das Design soll trotzdem stimmen. In einer Doku-Soap hat ZDF-Neo das Projekt verfilmt. Ab dem 20. April ist der 18-tägige Umbau im Fernsehen zu sehen. Mit dabei ist „Schrott-Designer“ Oliver Schübbe. An Erfahrung mangelt es ihm nicht. Bereits 2006 war er mit der Recyclingbörse Herford Mitbegründer von „ZweitSinn“ – einem Netzwerk aus Designern und Handwerksbetrieben. Sie bündeln ihre Erfahrungen rund um die Wiederverwertung von Möbeln in einem gemeinsamen Internet-Portal. Mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist aus dem von der Technischen Universität (TU) Dortmund entwickelten Ansatz das Konzept „Wohn-Visionen 2020“ erwachsen. Der Erfolg des Projekts – auch auf der Internationalen Möbelmesse Köln – zeigt: Leben in recycelten Möbel ist Trend.

Am Stand von ZweitSinn auf der Internationalen Möbelmesse Köln diskutieren die Designer Oliver Schübbe und Stefan Sanchez mit DBU-Referentin Verena Exner über die Möglichkeiten, „ausgesonderte“ Möbel kreativ zu nutzen.
© Baumann/ZweitSinn

Durch Recycling Kreislaufwirtschaft stärken

„Der verborgene Sinn weggeworfener Dinge“, den der Dadaist Kurt Schwitters in seinen künstlerischen Arbeiten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts thematisierte, wird bei „ZweitSinn“ zu realen Produkten. Aus Möbeln vom Sperrmüll entwickeln die Netzwerk-Designer moderne und qualitativ hochwertige Unikate – zum Teil schon bei Wettbewerben prämiert. „Dadurch wird die Abfallmenge verringert und der Gedanke der Kreislaufwirtschaft gestärkt“, erklärt DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde. „Die Zeit ist überfällig, dass gebrauchte Materialien nicht achtlos ‚entsorgt’, sondern systematisch als Rohstoff angesehen werden.“ Damit werde auch die Neuproduktion mit Primärrohstoffen beschränkt. „Das schont Ressourcen und mindert den Ausstoß von Kohlendioxid“, so Brickwedde. Insgesamt 29 umweltschonende Möbel-Kleinserien haben die kreativen Köpfe von „ZweitSinn“ bereits entworfen, die sie über ihre Homepage vertreiben.

Ganze Raumkonzepte aus gebrauchten Materialien

Das 2006 gestartet Konzept hat sich auf Initiative des Instituts für Umweltforschung der TU Dortmund mittlerweile zu „Wohn-Visionen 2020“ weiterentwickelt. Ganze Zimmereinrichtungen und Raumkonzepte aus gebrauchten Materialien entwerfen die beteiligten kleinen und mittelständischen Betriebe. Auch in der Wissenschaft hat der Recycling-Gedanke Einzug erhalten und steht jetzt auf den Lehrplänen dreier an dem Projekt teilnehmender Hochschulen für Design (Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Akademie Gestaltung im Handwerk Münster, Kunsthochschule Kassel). Die DBU förderte das Netzwerk „ZweitSinn“ mit 120.000 Euro und unterstützt aktuell „Wohn-Visionen 2020“ mit weiteren 192.000 Euro.

Zu schade für den Schredder: Auf dem Hof der Recyclingbörse Herford wird der Sperrmüll zerlegt, aus dem später einmalige Designerstücke entstehen.
© Recyclingbörse Herford/ZweitSinn

Neben ökologischer auch soziale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens stärken

„Ein wichtiger Bestandteil beider Vorhaben ist aber nicht nur, die Umwelt zu entlasten, sondern auch Berufsperspektiven für sozial benachteiligte Menschen zu schaffen“, betont Verena Exner, DBU-Referentin für Umweltkommunikation in der mittelständischen Wirtschaft. So werde neben der ökologischen auch die soziale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens berücksichtigt. In den Projekten würden Ausbildungsplätze und Qualifizierungsmaßnahmen etwa für Tischler, Polsterer oder Glaser geschaffen. „Damit soll die Chance für Jugendliche und Langzeitarbeitslose erhöht werden, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden“, so Exner.

Bauteilbörsen an elf Standorten in Deutschland entstanden

Ob Fenster, Treppen oder Dachziegel, gut erhaltene Bauteile sind genauso wie Möbel zu schade für den Schredder. Das „bauteilnetz Deutschland“ bietet eine Plattform, wieder verwendbare Bauteile in die Kreislaufwirtschaft zurück zu führen. Durch finanzielle Unterstützung schob die DBU auch dieses bundesweite Kooperationsprojekt erfolgreich an. Seit Beginn 2006 sind mittlerweile an elf Standorten in Deutschland Bauteilbörsen entstanden. Brickwedde: „Die innovativen Ideen unserer Projektpartner zeigen, wie der Wohn- und Bausektor maßgeblich dazu beitragen kann, Abfall zu vermeiden, Energie einzusparen und den Kohlendioxidausstoß zu mindern.“ So sei auch eine im März durchgeführte Tagung im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der DBU zum Thema „Wiederverwendung von Bauteilen national und international“ auf großes Interesse gestoßen.

Weitere Infos unter:
http://www.zweitsinn.de/
http://oekopro.de/wohn-vision-2020/
http://www.bauteilnetz.de/

Ansprechpartner für Fragen zum Projekt (AZ 24579, 27108, 23023):

Dr. Werner Baumann, Institut für Umweltforschung der Technischen Universität (TU) Dortmund, Telefon: 0231/7554095, Telefax: 0231/7554084

Ute Dechantsreiter, bauteilnetz Deutschland, Telefon: 0421/706058, Telefax: 0421/706059

Schaukelemma mit Mikado: Ein alter Stuhl, eine gebrauchte Tischplatte und Bettlatten aus feinstem Buchenschichtholz dienten als Basis für diese Modelle.
© Baumann/ZweitSinn

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