Berlin. „Umweltschutz ist ein bedeutender zivilisatorischer Lernprozess, mühsam und langwierig. Diesen Lernprozess müssen wir mit Kreativität und Leidenschaft vorantreiben, bisweilen auch gegen kurzfristige Interessen – über alle Generationen hinweg, weil Jung und Alt gleichermaßen Ressourcen verbrauchen. Umweltschutz ist also eine Aufgabe, die uns unser Leben lang begleitet.“ - Mit diesen Worten eröffnete heute Bundespräsident Joachim Gauck mit der DBU-Kuratoriumsvorsitzenden Rita Schwarzelühr-Sutter im Park von Schloss Bellevue in Berlin die fünfte „Woche der Umwelt“ des Bundespräsidenten und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Speziell begrüßte Gauck, dass bei dieser „Woche der Umwelt“ junge Menschen besonders engagiert seien. Gauck: „Viele der Jüngeren wollen dazu beitragen, den Zerstörungen, die wir unserem Planeten schon zugefügt haben, Einhalt zu gebieten. Wir brauchen viele, wir brauchen sehr viele, die mit Pioniergeist den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen weiter vorantreiben.“
Zusammenhänge besser erkennen und dann vernetzend tätig werden
Der Bundespräsident unterstrich, dass die Botschaft von Johannes Rau, Umweltfragen dürften nicht in den Hintergrund gedrängt werden, aktuell sei, auch wenn Rau das als Bundespräsident bereits bei der ersten „Woche der Umwelt“ vor 14 Jahren formuliert habe. Ob bei Produkt und Konsum, dem Abbau von Rohstoffen, der Energiever- und Abfallentsorgung, der Städte- und Verkehrsplanung und der Bildung – überall sei Umweltschutz gefragt. Zusammenhänge besser zu erkennen und dann vernetzend tätig zu werden, sei eine der großen Herausforderungen für den Umweltschutz. Schutz und Schonung natürlicher Lebensgrundlagen könne allerdings nur durch die Mobilisierung möglichst vieler Kräfte gelingen und bei der „Woche der Umwelt“ als Schaufenster umweltfreundlicher Initiativen und Technologien fänden sich dafür zahlreiche Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
In Deutschland erheblich anstrengen, die internationalen Versprechen zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz einzulösen
Zusätzlicher Schwung werde gerade jetzt gebraucht, wo international ehrgeizige Ziele für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz festgelegt worden seien. Zwar sei die Staatengemeinschaft von vielen ihrer Ziele weit entfernt. Und auch national müsse man sich in Deutschland erheblich anstrengen, die internationalen Versprechen zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz einzulösen. Hoffnungsvoll stimmten aber Erfolge beim Klimaschutz. 2014 sei global das erste Jahr seit Jahrzehnten, in dem die Wirtschaft gewachsen, dennoch die Treibhausgasemissionen der Energiebranche gesunken seien. Und die klimaschädlichen Emissionen in Deutschland seien im vergangenen Vierteljahrhundert um 27 Prozent zurückgegangen.
Verluste in der Tier- und Pflanzenwelt mittlerweile alarmierend
Die Energiewende werde uns noch über Jahre fordern. Die Verluste in der Tier- und Pflanzenwelt seien mittlerweile so alarmierend, dass die Vereinten Nationen die gegenwärtige Dekade dem Schutz der biologischen Vielfalt gewidmet haben. Artensterben habe es zwar auch früher gegeben. Aber jetzt sei es vor allem der Mensch, der die Verluste verursache. Schon mehr als die Hälfte des tropischen Regenwaldes, wo die meisten Arten lebten, sei gerodet. Die Staatengemeinschaft zähle den Bestand von Tier- und Pflanzenarten inzwischen zu den sogenannten planetaren Leitplanken, ein Orientierungsrahmen, der helfen könne, die Stabilität der Erde zu bewahren, sofern bestimmte Grenzwerte zum Schutz von Boden, Wasser, Luft, Flora und Fauna beachtet werden. Gauck: „Was wir essen, wie wir uns kleiden, wie wir wohnen, wie wir wirtschaften und wie wir uns fortbewegen – all das spielt eine Rolle für den Zustand der Meere und Flüsse, der Wälder, Graslandschaften und Felder und der dort lebenden Tiere und Pflanzen – und damit für die Lebensqualität, die wir für uns und unsere Kinder erhalten wollen.“
"Grundlagen dafür schaffen, dass die Welt für kommende Generationen lebenswert bleibt"
DBU-Kuratoriumsvorsitzende Rita Schwarzelühr-Sutter lobte die Entschiedenheit des Bundespräsidenten, dem Anliegen des Umweltschutzes und damit einer der zentralen Grundlagen der gesellschaftlichen Vielfalt und zukünftigen Entwicklung mit der Veranstaltung Nachdruck zu verleihen. Umweltschutz brauche „möglichst viele Menschen, die sich in ganz unterschiedlichen Bereichen engagieren, die gesellschaftlich und unternehmerisch Verantwortung übernehmen, Menschen, die an morgen und auch an übermorgen denken“. Es liege „an uns, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Welt für kommende Generationen lebenswert bleibt“. Die Situation vieler Ökosysteme auf der Welt, der Klimawandel, der Artenverlust – all das verlange ein Umsteuern hin zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die ökologischen Grenzen unserer Welt respektiere.
Wirtschaft und Gesellschaften müssen schlüssige Antworten auf die globalen Megatrends finden
Mit der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen im Herbst des Vorjahres sei die Grundlage gelegt worden für einen überzeugenden Strukturwandel, der den ökologischen Fußabdruck, den Ressourcen- und Energiebedarf und bestehende soziale Ungleichheiten weltweit deutlich verringere. Erstmalig würden das Bekämpfen von Armut und das Bewahren der natürlichen Lebensgrundlagen auf unserem Planeten systematisch verbunden. Schwarzelühr-Sutter: „Es geht darum, jetzt und heute die richtigen Entscheidungen zu treffen, jetzt und heute zügig und entschlossen zu handeln.“ Dazu müssten Wirtschaft und Gesellschaften schlüssige Antworten auf die globalen Megatrends finden wie die fortschreitende Urbanisierung, die steigende Nachfrage nach Rohstoffen und Energie, die Änderung der Konsum- und Lebensgewohnheiten, besonders in den bevölkerungsreichen Schwellenländern, den Klimawandel, die Digitalisierung, Migration und Flucht und den demografischen Wandel.
Nachhaltigkeit kein Wohlstandsthema allein für das gute Gewissen der Einkommens-Eliten
Nachhaltigkeit dürfe kein Wohlstandsthema allein für das gute Gewissen der Einkommens-Eliten sein. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen strebten nach mehr sozialer Balance und mehr Gerechtigkeit - innerhalb der Gesellschaften, zwischen den Gesellschaften, zwischen den Generationen, national und international. Gesucht und notwendig seien neue und kreative Lösungen, soziale Innovationen und eine breite gesellschaftliche Diskussion über die besten Wege – offen und unter breiter Beteiligung aller, vor allem der Generation, die zukünftig Verantwortung in unserer Gesellschaft übernehmen werde. Schulen komme für die Umsetzung eine wichtige Funktion zu, denn sie könnten „junge Menschen dazu befähigen, Ideen für eine nachhaltige Entwicklung einzubringen und Umsetzungsstrategien innerhalb der eigenen Lebenswelt zu entwickeln und zu verwirklichen“. Es liege in unserer Verantwortung, die geeigneten Lernumgebungen zu schaffen und diese für alle gleichermaßen zugänglich zu machen. Schwarzelühr-Sutter: „Bildung ist also auch der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung.“
Mittwoch ab 13 Uhr "Publikumsnachmittag"
Knapp 200 Aussteller zeigen heute und morgen bei der „Woche der Umwelt“ von Bundespräsident Joachim Gauck und DBU, wie lösungsorientierte Innovationen entwickelt und Modellvorhaben praxisnah umgesetzt werden. Gesprächsforen widmen sich den Belastungsgrenzen des Planeten – Themen sind Ressourcen- und Bodenschutz, Energiewende, Digitalisierung, Urbanisierung, Mobilität und demografischer Wandel. Zum ersten Mal öffnet die große Umwelt-Schau am zweiten Veranstaltungstag, Mittwoch, ab 13 Uhr ihre Tore für alle Interessierten zu einem „Publikumsnachmittag“.