Braunschweig. „Die Agenda 2030 setzt unserer Welt eine wahrlich ambitionierte Zukunftsvision. All denen, die daran gar nicht mehr glauben, die mit Verunsicherung, ja mit Angst in die Zukunft schauen, können unsere heutigen Preisträger eine Ermutigung senden: Aus der Teilung Europas erwächst ein ‚Grünes Band‘, aus 197 Einzelstimmen wird ein großes Klimaschutzabkommen. Und aus lokalem Erfindergeist erwachsen Technologien, die Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen. Ja, die Zukunft mag ungewiss sein, aber unsere Preisträger zeigen: Sie ist am Ende das, was wir daraus machen.“ – Mit diesen Worten würdigte heute Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die neuen Träger des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Aus den Händen Steinmeiers nahmen in Braunschweig die Unternehmer Bernhard und Johannes Oswald (Miltenberg) sowie die Naturschützer Inge Sielmann (München), Dr. Kai Frobel (Nürnberg) und Prof. Dr. Hubert Weiger (Fürth) den höchstdotierten, unabhängigen Umweltpreis Europas in Empfang. Den mit 10.000 Euro dotierten DBU-Ehrenpreis erhielt posthum der Ex-Außenminister der Marshall-Inseln, Tony de Brum.
„Ich finde, das ist eine besonders schöne Nachwendegeschichte“
Vor rund 1.200 Festgästen – darunter Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und Niedersachsens stellvertretendem Ministerpräsidenten Stefan Wenzel – erinnerte Steinmeier an den bevorstehenden Jahrestag zum Fall der Berliner Mauer. Die jahrzehntelange Teilung Deutschlands habe Narben hinterlassen – in Familien, Wirtschaft und Politik. Viele dieser Narben seien unsichtbar, manche fielen direkt ins Auge. Dazu gehörten die in der Landschaft. Mit Mauern, Stacheldraht und Patrouillenwegen sei ein breites Band der Teilung durch Europa über Felder, Berge und Wälder gelegt worden. In diesem Schatten der Geschichte jedoch sei zwischen Selbstschussanlagen und Wachtürmen ein weltweit einzigartiges Naturerbe entstanden. Zum Glück sei Frobel bereits in den 70er Jahren auf die Idee gekommen, aus diesem Band des Schreckens ein „Grünes Band“ der Hoffnung zu machen. Mit Inge Sielmann und der Sielmann-Stiftung sowie vielen anderen habe diese Idee tatkräftige Unterstützung gefunden und sei heute Realität geworden. Und dank des Engagements von Weiger sei das „Band“ bald nicht mehr nur eine deutsche, sondern eine europäische Idee geworden. Steinmeier: „Ich finde, unter den vielen Geschichten, die kursieren, ist das eine besonders schöne Nachwendegeschichte.“
„Am Ende geht es um die globale Verteilung von Lebenschancen, um die Möglichkeit einer friedlicheren Zukunft“
Veränderungen von Umwelt und Klima führten zunehmend zu Naturkatastrophen und Hungersnöten, die unzählige, Millionen Menschen in die Flucht treiben würden, so das Staatsoberhaupt weiter. Ressourcenknappheit und Umweltfragen seien längst nicht mehr nur Angelegenheit von Klimaschutz und Migrationspolitik, sondern seien inzwischen Fragen der Sicherheitspolitik geworden. Nicht nur deshalb lohne es, sich um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen weltweit zu bemühen. Steinmeier: „Am Ende geht es um die globale Verteilung von Lebenschancen, um die Möglichkeit einer friedlicheren Zukunft. Umwelt- und Klimaschutz ist praktische Arbeit an einer gerechteren Globalisierung. Und die brauchen wir.“
Pariser Folgeverhandlungen gerade für Deutschland ein besonderes Anliegen
Das Klimaschutzabkommen von Paris 2015 habe gezeigt, dass die Weltgemeinschaft in der Lage sein könne, sich auf gemeinsame Ziele in der Umweltpolitik zu verständigen. Die Pariser Folgeverhandlungen im November in Bonn seien gerade für Deutschland ein besonderes Anliegen. Ziel sei es, dass die Staatengemeinschaft auf die Bedürfnisse gerade auch der kleineren Länder eingeht, die keine Stimme haben im großen Weltkonzert. Vor allem die kleinen Inselstaaten bangten angesichts des steigenden Meeresspiegels um ihr Land. Tony de Brum, der ehemalige Außenminister der Marshall-Inseln, habe deren Interessen eine „klar vernehmbare und weltweit geachtete Stimme“ gegeben.
Beispielhaft für Familienunternehmen, die Deutschland bereicherten
Doch Abkommen und Gesetze könnten immer nur der erste Schritt sein. Viel wichtiger sei es am Ende, den gesetzlichen Rahmen mit guten Ideen auszufüllen. Als innovativem Mittelständler mit besonderer Expertise für Elektromotoren sei es der Firma OSWALD gelungen, einen um bis zu 50 Prozent wirkungsvolleren Antrieb für Industrieanwendungen zu entwickeln. Das sei ein beeindruckender Erfolg und verdiene großen Respekt – gerade auch für einen Familienunternehmer, der diese Entwicklung aus dem laufenden Betrieb finanzieren muss. Die Firma OSWALD stehe beispielhaft für all die kleinen und mittleren Familienunternehmen, die Deutschland bereicherten, nicht nur wirtschaftlich. Mittelständler wie die Oswalds würden sich intensiv in ihren Gemeinden engagieren. Sie übernähmen Verantwortung, nicht nur für ihre Mitarbeiter, sondern auch für die Stadt und die Region, in der sie produzieren.
Jury lobte Engagement der Preisträger
Als Mitglieder der Jury des Deutschen Umweltpreises, auf deren Vorschlag hin das Kuratorium der Stiftung die jeweiligen Preisträger eines Jahres auswählt, gingen Prof. Dr. Heidi Foth (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Mitglied des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen) und Dr. Andreas Bett (Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE; DBU-Umweltpreisträger), auf die Leistungen der Preisträger 2017 ein. Bett würdigte die Firma Oswald als Prototyp der sehr beeindruckenden Mittelständler in Deutschland. Diese Firmen seien nicht leicht zu führen, aber sie seien es, die Innovationen vorantrieben. Dabei hätten Bernhard und Johannes Oswald mit ihrem breiten gesellschaftlichen Engagement weit mehr geleistet als reine Technikentwicklung. Foth lobte den Enthusiasmus der Naturschützer des „Grünen Bandes“, die das besondere ökologische Leben im „Todesstreifen“ früh erkannt, Mitstreiter in Ost und West gefunden und ein unglaublich kleines Zeitfenster genutzt hätten, um Dinge zu bewahren, die sonst verloren gewesen wären.
Treibende Kraft einer Allianz von Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern
Den Ende August verstorbenen DBU-Ehrenpreisträger Tony de Brum würdigte Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, bayerischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit großer Energie habe sich de Brum dem Kampf gegen die Erderwärmung verschrieben und für den Schutz der Umwelt eingesetzt. Er sei bei der Klimakonferenz in Paris 2015 die treibende Kraft einer Allianz von Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern gewesen, die den Staaten und Regionen eine einheitliche Stimme verliehen habe, die am stärksten von den Klimaveränderungen betroffen sein werden.
De Brum „hat sich um die ganze Menschheit verdient gemacht“
Sein großes Engagement habe persönliche Gründe gehabt. Als Kind sei er Augenzeuge der verheerenden Folgen geworden, die die Zündung der Wasserstoffbombe „Bravo“ auf dem Bikini-Atoll mit sich gebracht habe. Deswegen habe sein erster Kampf der nuklearen Abrüstung gegolten, für den er zusammen mit dem Volk der Marshall-Inseln mit dem „Alternativer Nobelpreis“, dem Right Livelihood Award, ausgezeichnet worden sei. Je länger desto stärker habe ihn aber eine zweite, die Marshall-Inseln betreffende Erfahrung geprägt: die der direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensumstände der Inseln im Pazifik bis hin zu ihrem drohenden Untergang im Meer. Als mahnende Stimme habe er alles in seiner Macht stehende getan, um den Klimawandel zu stoppen. Bedford-Strohm: „Wir ehren heute einen Mann, dessen Leben und Wirken mit den Fragen der Erhaltung unserer natürlichen Ressourcen, der Umwelt und des Klimas so eng verbunden ist. Der wusste, dass es dabei um alles oder nichts geht und deswegen zäh verhandeln konnte. Der aber auch wusste, dass es die eine, einfache Lösung nicht gibt. Ich verneige mich vor seiner Lebensleistung. Er hat sich um die ganze Menschheit verdient gemacht.“
Ökologie, Ökonomie und Soziales zu verbinden, „tut unserer Welt gut“
Die Preisträger selbst machten in Filmen, die während des Festaktes eingespielt wurden, und im Gespräch mit Moderatorin Judith Rakers ihre Positionen noch einmal deutlich. Johannes Oswald wies darauf hin, dass seine Motoren jährlich 1,5 Terrawattstunden Energie einsparten, was etwa dem Verbrauch von einer Million Menschen in Deutschland entspreche. Seine Vision sei es, andere Menschen davon zu überzeugen, dass es „unserer Welt guttut“, wenn Ökologie, Ökonomie und Soziales in einem guten Verhältnis zueinander stünden.
Naturschutz zwischen scharf geladenen Waffen hier wie dort
Weiger wies darauf hin, dass der Fall der Mauer die große Chance für einen Aufbruch des Naturschutzes in Deutschland bedeutet habe. „Wir haben die einmalige historische Chance, das schlimme Erbe unserer eigenen Geschichte als lebendiges Denkmal zu erhalten. Wir können nicht nur Grenzen niederreißen, wir können auch Grenzen positiv überwinden, und wir können erkennen, dass die Kraft Europas in der Vielfalt liegt.“ Ohne das ehrenamtliche Engagement Hunderter von Menschen wäre aber alles nicht möglich gewesen. Auch Frobel ging auf die „damals desolate Situation des Naturschutzes in Deutschland“ ein. An der „scheußlichen Grenze“ Natur zu beobachten, habe Naturschutz zwischen scharf geladenen Waffen hier wie dort bedeutet. Ein „besseres Denkmal der Überwindung der deutsch-deutschen Grenze“ als das „Grüne Band“ könne es nicht geben, unterstrich auch Inge Sielmann.