Berlin / Osnabrück. Der Bionik-Professor Dr. Wilhelm Barthlott (Bonn) und der Wattenscheider Textil-Unternehmer Klaus Steilmann werden am 31. Oktober in Weimar den Deutschen Umweltpreis 1999 erhalten. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Osnabrück, würdigt damit das Lebenswerk des Umweltpioniers Steilmann und die Forschungsergebnisse Barthlotts. Seine junge Wissenschaft Bionik schaut der Natur Problemlösungen ab, setzt sie in Technikentwicklung um und schont damit die Umwelt. So konnte Barthlott nachweisen, dass sich Pflanzenblätter wie die der Lotus-Blume selbst reinigen. Ein Effekt, der inzwischen auf Industrieprodukte wie Farben oder Dachziegel übertragen werden konnte. Den mit einer Million Mark höchstdotierten Umweltpreis Europas wird Bundespräsident Johannes Rau überreichen.
Vor Journalisten in Berlin charakterisierte Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Umweltstiftung, Steilmann als einen Unternehmer mit starkem Interesse an sozialen und ökologischen Fragestellungen. Frühzeitig habe sich Steilmann mit dem Thema Ökologie in Textilien und Bekleidung auseinandergesetzt und dabei den gesamten Produktionsprozess "von der Wiege bis zur Bahre" im Auge gehabt. Als eines der ersten Unternehmen Deutschlands habe Steilmann ökologische Einkaufsbedingungen in die Textilbranche eingeführt und sich für den Ausschluss giftiger Farbstoffe in Textilien eingesetzt. So habe er nicht nur in seiner Branche ein außerordentliches Umdenken bewirkt, sondern auch in der Chemie- und Konfektionsindustrie, beim Groß- und Fachhandel und in der Landwirtschaft.
1991 habe er ein eigenes Forschungsinstitut gegründet, das heute als "Klaus-Steilmann-Institut für Innovation und Umwelt" weltweit einen guten Ruf besitze. An der Universität Witten-Herdecke habe er einen Lehrstuhl gestiftet, der unter anderem in der Vorbereitung und Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten der Textil- und Bekleidungsindustrie einen Arbeitsschwerpunkt habe. In seiner Heimatstadt Wattenscheid habe er durchgesetzt, dass ein ehemaliges Zechengelände zu einem modernen Ökotextil-Technologiezentrum umgebaut wurde.
Steilmanns Blick habe aber nicht nur Deutschland gegolten, sondern vor allem auch Osteuropa. So habe er mitgeholfen, an der Moskauer Staatlichen Lomonosov-Universität ein Ausbildungsprogramm zu entwickeln für die sozialpsychologischen, organisatorischen und ökologischen Probleme des Unternehmertums in Russland. Entstanden seien zahlreiche Standardwerke in russischer Sprache, aus denen viele Anregungen abzuleiten seien für den ökologischen Umbau Russlands. Auch in Westeuropa habe sich Steilmann als Präsident und Präsidiumsmitglied zahlreicher Fachverbände eingesetzt für die Einführung einheitlicher ökologischer Qualitätsmaßstäbe über Grenzen hinweg.
Professor Barthlott sei es gelungen, den Selbstreinigungseffekt von Pflanzen - wie etwa der Lotusblume - nutzbar zu machen für eine breite technische Anwendung. Er habe festgestellt, dass nicht extrem glatte, sondern leicht raue Pflanzenoberflächen selten verschmutzen. Dieser Effekt könne - technisch umgesetzt - auch von enormer volkswirtschaftlicher Bedeutung sein für das Herstellen von Gebäudefassaden und -verglasungen, Dächern, Lacken, Folien sowie für das Beschichten von Schienen-, Straßen- und Wasserfahrzeugen. Die Wirtschaft habe ein hohes Interesse an der technischen Umsetzung des Lotus-Effekts. Barthlotts Forschungsarbeit gebe deutschen Wissenschaftlern und Unternehmen einen Vorsprung auf diesem Gebiet und könne langfristig auch umweltverträgliche neue Arbeitsplätze schaffen.
Barthlott wurde am 22. Juni 1946 in Forst in Baden-Württemberg geboren. Nach dem Studium der Biologie und Geographie an der Universität Heidelberg arbeitete er als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Systematische Botanik und Pflanzengeographie der Universität Heidelberg (1974 bis 1981). 1981 habilitierte er an derselben Universität und untersuchte das Phänomen der selbstreinigenden Oberflächen. Diese Arbeit führte schließlich zur Übertragung des Lotus-Effekts auf technische Anwendungen. 1985 wurde er an die Universität Bonn gerufen. Dort baute er einen neuen Lehrstuhl mit entsprechendem Lehr- und Forschungsprogramm auf. Er arbeitete mit an der Errichtung eines neuen Aufbaustudiengangs "Ökologie und Umwelt" sowie eines "Internationalen Zentrums für Entwicklungsforschung". Den Botanischen Garten der Universität Bonn baute er aus und modernisierte ihn. Barthlott ist Mitglied mehrerer nationaler und internationaler Komitees und mit verschiedenen angesehenen Preisen ausgezeichnet.