Gelsenkirchen. Sie liegen tief unter der Erde, haben einen Durchmesser von 80 Zentimeter bis zu mehreren Metern und leiten Abwasser zu den Kläranlagen. Doch sind die großen Kanalrohre auch standsicher und dicht? Um das herauszufinden, will das IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur aus Gelsenkirchen die begehbaren Abwasserrohre mit einem weiterentwickelten Prüfgerät auf Schäden testen, ohne dabei selbst Schäden anzurichten. „Je älter die Kanäle, desto größer ist die Gefahr, dass sie ihre Standsicherheit verlieren, durchlässig werden und Schadstoffe in das Grundwasser gelangen. Mit dem Prüfgerät soll der Zustand eines Abwasserkanals erfasst und beurteilt werden, um ihn anschließend entsprechend sanieren zu können“, betont der Wissenschaftliche Leiter des IKT, Privatdozent Dr.-Ing. Bert Bosseler. Es biete eine ökologisch sinnvolle Alternative zu gängigen Prüfverfahren, in denen aufwändige Probeentnahmen notwendig seien, sagt Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Die DBU fördert das Projekt mit 70.000 Euro.
Durch undichte Stellen in Rohren kann viel Abwasser in den Boden gelangen
Kanalrohre mit großen Durchmessern befänden sich häufig am Ende von Entwässerungsnetzen und unterhalb des Grundwasserspiegels, so DBU-Experte Franz-Peter Heidenreich. Durch undichte Stellen könnten große Abwassermengen in den Boden und das Grundwasser gelangen, mit entsprechenden Schäden für die Umwelt. Deshalb sei es wichtig, sie mit sicheren Prüfverfahren auf ihre Dichtigkeit, hydraulische Leistungsfähigkeit und Standsicherheit zu untersuchen. Bislang würden in Deutschland Proben aus dem Kanalrohr gebohrt – das beanspruche viel Zeit. Vor allem bei älteren Abwasserkanälen sei oft wenig über die Bodenbeschaffenheit oder den Wandaufbau bekannt. Daher sei es bisher schwierig, geeignete Sanierungsverfahren zu bestimmen.
Französisches Prüfgerät dient als Basis für neues Verfahren
„Ein Prüfgerät, das die Standsicherheit größerer Rohre mit einem Innendurchmesser von über eineinhalb Metern beurteilen kann, wurde schon in den 80er Jahren in Frankreich entwickelt. Die französische Prüfeinheit ist jedoch sehr aufwändig, nur in sehr großen Rohren leicht einsetzbar, und die Messtechnik ist heute deutlich weiter. Auf dem deutschen Markt gibt es bis heute kein entsprechendes System“, fügt Bosseler hinzu und ergänzt: „Die Franzosen besitzen aber wertvolle Praxiserfahrungen, auf die wir zurückgreifen können. So stellen uns die Wasserbetriebe in Paris ihre Erkenntnisse exklusiv zur Verfügung. Auf solider Basis kann jetzt ein Prüfverfahren entwickelt werden, mit dem begehbare Kanäle auch bei kleineren Innendurchmessern halbautomatisch mit neuester Messtechnik vermessen werden. Zudem wird es an die rechtlichen und technischen Anforderungen der deutschen Netzbetreiber angepasst.“
Aus Ergebnissen sollen auch geeignete Reparaturverfahren abgeleitet werden
„Notwendige Sanierungen können mit dem neuen Prüfgerät besser, schneller und einfacher durchgeführt werden“, sagt Bosseler. Getestet und optimiert werden solle es zunächst in einer Teststrecke im IKT und in verschiedenen beschädigten Abwasserrohren. Aus den Messergebnissen sollen anschließend geeignete Reparaturverfahren abgeleitet werden. Ebenfalls könne mit dem Gerät auch der Zustand nach dem Sanieren geprüft werden. Der Fachbereich Bauingenieurwesen der Fachhochschule Münster und das Institut für Geotechnik der Leibniz Universität Hannover bewerten die Prüfergebnisse.
Gefährdungspotenzial für die Umwelt wird minimiert
Brickwedde: „Durch das innovative Übertragen und Weiterentwickeln von umweltrelevanter Technik könnte schon bald ein neues Prüfverfahren Mängel in der Kanalisierung aufspüren, ohne großen Aufwand betreiben zu müssen und ohne den Straßenverkehr zu beeinträchtigen.“ Gleichzeitig erhöhe sich die Erfolgssicherheit zukünftig durchzuführender Sanierungen und minimiere sich das Gefährdungspotenzial für die Umwelt.
Ansprechpartner für Fragen zum Projekt (AZ 29939): PD Dr.-Ing. Bert Bosseler, Telefon: 0209-1780614, Mobil: 0172-2361276