Weilheim i.OB. Mit Kapitalanlagen von rund 1.600 Milliarden Euro gehörten die Versicherer 2018 zu den größten institutionellen Investoren in Deutschland. oekom research, einer der weltweiten Top-Anbieter von Informationen über das soziale und ökologische Verhalten von Unternehmen, Branchen und Staaten, kommt mit Blick auf Versicherungen allerdings zu einem ernüchternden Fazit: Keines der 132 untersuchten Versicherungsunternehmen in Deutschland verfügt über ein umfassendes in der Praxis umgesetztes Nachhaltigkeitsprogramm. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) will dabei unterstützen, ein Bewertungssystem zu entwickeln, mit dem Kompositversicherungen – also Sach- und Unfallversicherungen, keine Lebens-, Kranken und Rechtsschutzversicherungen – vom Verbraucher nach ihrem Beitrag zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit verglichen werden können. Das Projekt der Greensurance Stiftung | Für Mensch und Umwelt (Weilheim i.OB) unterstützt sie fachlich und finanziell mit rund 296.000 Euro.
Innovationsentscheidungen hin zu größerer Umweltverantwortung lenken
Der Versicherungssektor sehe sich immer stärker globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel, Naturkatastrophen und demographischen Veränderungen ausgesetzt, sagt Bonde. Die Branche sei über ihre Produkte und Kapitalanlagen mit vielen anderen verbunden. Bonde: „Versicherungen haben eine bedeutende Hebelfunktion für eine nachhaltige Entwicklung in den Händen. Sie könnten durch gezielte Anreize oder Haftungsausschlüsse Investitionsentscheidungen hin zu größerer Verantwortung gegenüber Umwelt und Natur lenken.“ Während im Bankensektor bereits Nachhaltigkeitsbewertungskriterien Einzug gehalten hätten und sich einige wenige Banken als Nachhaltigkeitsbanken verstünden, seien in der Versicherungsbranche nur erste Ansätze zu erkennen. Mit dem Projekt solle „Motivation entstehen, das Angebot zu verbessern“, wie es Bonde formuliert.
Schadensersatz nur nach „gleicher Art und Güte“?
Dabei seien zwei Bereiche des wirtschaftlichen Handelns von Versicherungen besonders interessant: zum einen die Kapitalanlage. Hier könnten die methodischen und systematischen Erfahrungen aus dem Bankensektor weitgehend auf die Versicherungsbranche übertragen werden. Den zweiten Ansatzpunkt, der den Schwerpunkt des neuen Projektes bilde, sei das Schadensmanagement einer Versicherungsgesellschaft, sagt Dr. Maximilian Hempel, DBU-Abteilungsleiter Umweltforschung. Im Leistungsfall spiele es eine große Rolle, ob ein Versicherer aufgrund seiner Bedingungen nachhaltige Aspekte berücksichtige. Nach den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft sei Schadensersatz nämlich nur nach „gleicher Art und Güte“ zu leisten. So werde im Falle eines Totalschadens einer Ölheizung wieder nur die Neuanschaffung einer Ölheizung erstattet, nicht umweltfreundlichere Technologien etwa auf Basis erneuerbarer Energien. Mehrleistungen, die Klimaschutz und Klimaanpassung berücksichtigen, seien bis auf wenige Ausnahmen nicht vorgesehen.
Bewertungssystem soll nachhaltige Produkte fördern
„Damit Versicherungen in Zukunft nachhaltiger handeln, entwickeln wir ein Bewertungssystem. So kann in der Branche ein Wettbewerb in Gang gesetzt werden – jede Versicherung möchte gute Ergebnisse erzielen“, sagt Marcus Reichenberg, Geschäftsführer der Greensurance Stiftung. „Kunden und Versicherungsmakler können somit Versicherungen in Bezug auf Nachhaltigkeit bewerten. Das schafft einen Anreiz für die gesamte Branche, grüne Produkte zu entwickeln“, so Anna Schirpke, Geschäftsführerin der Greensurance Stiftung und Projektleiterin. Das Projekt sieht vor, zusammen mit dem Kooperationspartner Prof. Dr. Tobias Popović vom Zentrum für Nachhaltiges Wirtschaften und Management an der Hochschule für Technik Stuttgart und einem wissenschaftlichen Beirat für nachhaltige Finanzen ein Bewertungssystem zu erstellen. Das soll die größten Versicherungen und nicht zuletzt grüne Pioniere im Markt hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit beurteilen können.