Bamberg/Bronnbach. Klimaerwärmung und schmelzende Gletscher, Wirbelstürme, Fluten und Artensterben – jeden Tag werden wir mit neuen Hiobsbotschaften konfrontiert. Unsere Umwelt befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Doch in vielen Institutionen wird hinter den Türen kräftig geforscht, um dem drohenden Kollaps entgegen zu wirken. „Wir brauchen junge, engagierte Köpfe, die zu praxisrelevanten und zukunftsfähigen Lösungen beitragen“, erklärt der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde. Um sie zu unterstützen, sei ihr Stipendienprogramm zu einem zentralen Förderbestandteil der DBU geworden. „Doch was viele vergessen: Nicht nur die Zukunft, auch die Vergangenheit gilt es vor der zunehmenden Umweltbelastung zu schützen“, so Brickwedde. Neben der Tier- und Pflanzenwelt müssten auch Kunst- und Kulturdenkmäler erhalten werden. Eine Arbeit, die der ehemalige DBU-Stipendiat Dr. Paul Bellendorf bereits während seiner wissenschaftlichen Laufbahn verfolgte und nun am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) weiterführt. Ab dem 1. August übernimmt der 35-Jährige das Kompetenzfeld Umweltmonitoring und Kulturgüterschutz in Bronnbach, Baden-Württemberg.
Kulturgüter in Ostdeutschland durch hohe Umweltbelastungen stark angegriffen
„Denkmäler stellen einen wichtigen Zugang zur Vergangenheit dar. Sie zu bewahren, ist ein wichtiger Bestandteil in der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte und der eigenen Identität“, erläutert Bellendorf, bislang wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. „Doch dieses kulturelle Erbe war jahrzehntelang starken Umweltbelastungen ausgesetzt und befindet sich heute zum Teil in einem miserablen Zustand“, so der in Erlangen geborene Werkstoffwissenschaftler. Bestes Beispiel: Die metallenen Grabplatten im Kreuzgang des Erfurter Doms. Hohe Schadstoffkonzentrationen in der Luft führten dazu, dass sich in der Wechselwirkung mit Feuchtigkeit und der Oberfläche grau-grünliche bis schwarze Ablagerungen auf den Platten gebildet haben. Inschriften waren so kaum oder gar nicht mehr lesbar.
Grabplatten im Kreuzgang des Erfurter Doms Ausgangspunkt für Dissertation
Schadensauslöser sind Schwefeldioxide, die besonders in den 80er Jahren in der Region Erfurt durch die Verfeuerung von Braunkohle in Kraftwerken und Hausbrand in die Luft ausgestoßen wurden. Für Bellendorf bildete diese Tatsache den Ausgangspunkt für seine Dissertation, in der er den Einfluss von Umweltbelastungen auf metallene Objekte in einem größeren Gebiet untersuchte. „Erfreulicherweise habe ich festgestellt, dass der Großteil der von mir analysierten Grabplatten sich in einem guten bis sehr guten Zustand befindet. Und auch die Objekte in Erfurt sind – angestoßen durch die Untersuchungen des Instituts für Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte der Uni Bamberg – mittlerweile restauriert“, so Bellendorf.
Zusammenarbeit von DBU und ISC: Projekt am Kölner Dom
„Leider trifft dieser positive Befund nicht auf alle Kunst- und Kulturdenkmäler in Deutschland zu. Viele weisen einen enormen Sanierungs- oder Restaurierungsbedarf auf“, erklärt der promovierte Diplom-Ingenieur. Am ISC sei es nun seine Aufgabe, Ideen für neue Projekte zu entwickeln, um diese Zeitzeugen der Vergangenheit zu retten und dafür Partner aus dem In- und Ausland zu gewinnen. „Daneben werde ich aber auch wieder mehr Zeit finden, selber im Labor zu stehen und mich der Analyse von Proben zu widmen“, freut sich Bellendorf. Das ISC ist ein Materialforschungsinstitut der Fraunhofer Gesellschaft und beschäftigt sich mit der Verbesserung und Entwicklung neuer, multifunktionaler Werkstoffe sowohl für mittelständische Unternehmen als auch die Großindustrie. Das im ISC angesiedelte Kompetenzfeld Umweltmonitoring und Kulturgüterschutz versteht sich als Schnittstelle zwischen zukunftsweisender Technologie und klassischer Denkmalpflege. In einem aktuellen Projekt am Kölner Dom arbeiten beispielsweise Restauratoren und Mitarbeiter des ISC gemeinsam an neuen Methoden zur konservatorischen Behandlung von Glascraquéle – eine Rissbildung, die sich in den historischen Glasfenstern des Weltkulturerbes durch den jahrzehntelangen Schadstoffeintrag gebildete hat. Die DBU unterstützt das Vorhaben mit 120.000 Euro.
Seit Stiftungsgründung knapp 125 Millionen Euro in Kulturgüterschutz investiert
„Der Kulturgüterschutz liegt der Stiftung seit ihren Anfängen besonders am Herzen“, erklärt Lutz Töpfer, Leiter des gleichnamigen DBU-Referats. „Umso mehr freuen wir uns, wenn sich Nachwuchswissenschaftler wie Dr. Bellendorf für dieses Themenfeld begeistern.“ Besonders in den ersten Jahren nach Aufnahme der Fördertätigkeit am 1.3.1991 sei ein Großteil der DBU-Mittel in den Kulturgüterschutz investiert worden – insgesamt mittlerweile knapp 125 Millionen Euro in rund 600 Projekte. Wie in Erfurt war in weiten Teilen der ostdeutschen Bundesländer die Luftbelastung durch eine Vielzahl veralteter und nicht auf Umweltverträglichkeit ausgerichteter Industrieanlagen sehr hoch – die Substanz von Kirchen, Schlössern, Gärten und Burghäusern dementsprechend stark angegriffen. Ein von der DBU initiiertes Sofortprogramm ermöglichte in vielen Fällen die notwendigen Restaurierungsmaßnahmen. „Natürlich hat sich in Zeiten des Klimawandels und der Erderwärmung das Fördespektrum der Stiftung enorm erweitert. Aber das Beispiel Kölner Dom zeigt, Handlungsbedarf besteht hier nach wie vor“, so Töpfer. „Schön ist natürlich, wenn wir – wie im Fall von Dr. Bellendorf – bei unseren Projekten mit ehemaligen DBU-Stipendiaten zusammen arbeiten können, die sich mittlerweile erfolgreich in Wissenschaft, Forschung oder Institutionen und Unternehmen etabliert haben.“
DBU fördert wissenschaftlichen Nachwuchs
Dr. Paul Bellendorf ist nur einer von 824 Promotionsstipendiaten, die mit finanzieller Unterstützung der DBU seit Aufnahme des Stipendien-Programms 1992 weiterführende Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Umweltschutzes angefertigt haben. „Um unsere Umwelt auch in Zukunft lebenswert gestalten zu können, brauchen wir fachlich gute und engagierte junge Leute, die bereit sind, auch über den Tellerrand ihres Spezialgebietes hinauszublicken“, erläutert Brickwedde. Ziel der DBU sei es, ein Netzwerk von Umweltexperten aus verschiedenen Fachdisziplinen auszubilden, die zu praxisrelevanten und zukunftsfähigen Lösungen beitragen können. Dieses Netz wurde mittlerweile bis nach Mittel- und Osteuropa (MOE) gespannt. Seit 1996 vergibt die DBU zusätzlich an Absolventen aus Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Kaliningrad Stipendien für Forschungsaufenthalte in deutschen Institutionen, Unternehmen oder Hochschulen. Seit Anfang dieses Jahres werden auch Einzelanträge aus den Balkanländern angenommen. Möglich wurde diese grenzüberschreitende Arbeit durch den polnischen Umweltminister Prof. Dr. Maciej Nowicki. 1996 erhielt er als erster ausländischer Preisträger den von der DBU jährlich mit 500.000 Euro ausgelobten Deutschen Umweltpreis. Sein gesamtes Preisgeld stiftete er zugunsten des Aufbaus des MOE-Austauschstipendienprogramms – zunächst in Polen, dann auf weitere Länder ausgeweitet – und trug somit entscheidend zur Entwicklung einer vernetzten, jungen Wissenschaftlergeneration bei.
Stipendiatentreffen: "Hier habe ich viele neue Freunde gefunden"
Dass nicht allein die finanzielle Unterstützung zählt, sondern der Austausch zwischen den Vertretern unterschiedlicher Fachrichtungen und Länder, bestätigt Dr. Paul Bellendorf: „Mir haben während meiner Promotion die von der DBU organisierten Stipendiatentreffen sehr geholfen.“ Und sie hätten nicht nur dazu gedient, fachliche Kontakte zu knüpfen und wissenschaftliche Probleme zu diskutieren: „Hier habe ich auch viele neue Freunde gefunden“, sagt Bellendorf. „Ich freue mich schon jetzt, einen Teil von ihnen bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises im Herbst dieses Jahres wieder zu sehen.“