Leipzig. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte heute die neuen Träger des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) als Exponenten für etwas, was ihn auch stolz auf Deutschland mache: Erfindungsreichtum und Unternehmergeist von Menschen, die das Wünschenswerte in Machbares zu wandeln versuchten. Gauck: „Es reicht ja nicht aus, wenn wir große Worte wählen und politisch korrekt mehr Nachhaltigkeit wünschen. Sie muss zwar politisch gewollt, aber unternehmerisch gestaltet und dann gesellschaftlich akzeptiert werden.“ Aus seinen Händen nahmen im Leipziger Gewandhaus der Mitbegründer und Aufsichtsratschef der SMA Solar Technology AG (Kassel), Günther Cramer (59), sowie das Forscher-Unternehmer-Duo Dr. Andreas Bett/Hansjörg Lerchenmüller (beide Freiburg) den mit 500.000 Euro höchstdotierten Umweltpreis Europas in Empfang. Bett (50) ist stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, Lerchenmüller (45) Geschäftsführer der Soitec Solar GmbH.
Versöhnung von Ökologie und Ökonomie in Gang gekommen
Der Bundespräsident lobte vor rund 1.200 Festgästen – darunter Bundesumweltminister Peter Altmaier und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich – die Leistungen der DBU-Umweltpreisträger und staunte, „was möglich wird, wenn Menschen Ideen haben und sich durchsetzen, auch gegen Widerstände“. Dass Deutschland auf eine Zukunft mit erneuerbaren Energien setze, sei sicher eines der ehrgeizigsten Vorhaben in unserem Land. Aber es zeige sich, dass bei einem der ganz wichtigen Themen unserer Zeit etwas in Gang gekommen sei: Die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie.
„Wir wissen auch immer mehr über den Preis, die Kosten des Nicht-Handelns“
Auch wenn sich Deutschland von seinen industriellen Traditionen – Stahl, Automobilindustrie, Chemie und Elektroenergie – nicht trennen wolle, begebe sich das Land auf einen ehrgeizigen Weg. Mit Ingenieurskunst und gesellschaftspolitischem Weitblick könne Deutschland Vorreiter bleiben in Zukunftstechnologien, könne sich unabhängig von Ressourcen machen, die in Deutschland fehlten. Während die Energiewende im Ausland mit Spannung verfolgt werde, erzeuge sie im Inneren manchmal Spannung. Debatten, Kritik, Streit: gemessen daran, was auf dem Spiel stehe, sei das normal. Aber wenn schon Streit, dann sollten nicht nur die Belastungen und Mühen des eingeschlagenen Wegs behandelt werden, sondern auch seine Chancen. Gauck: „Und übrigens auch die Probleme und Belastungen, die wir hätten, wenn wir diesen Weg nicht gingen. Wir wissen auch immer mehr über den Preis, die Kosten des Nicht-Handelns.“
Gewohnter Lebensstil als Risiko für eine nachhaltige Entwicklung
Die, die sich ein umweltfreundliches Deutschland wünschten, dürften sich aber nicht gleichzeitig gegen nötige Veränderungen vor Ort wehren. Und: Wenn die Menschen überall auf der Welt so konsumieren würden wie in Deutschland, „dann wäre das eigentlich die größte Umweltbelastung“. Für das Auto, die beheizte Wohnung mit all den schönen Elektrogeräten, für das schöne Essen, das wir gewohnt sind, vielleicht auch die ein oder andere Fernreise – viel Fläche beanspruchten wir indirekt für unseren gewohnten Lebensstil. Gauck: „Wir müssen uns entwickeln, uns verändern.“
„Wir müssen uns dieser Aufgabe stellen. Das schulden wir uns und unseren Kindern und Enkeln“
Sauberes Wasser oder fruchtbare Böden und viele andere Ressourcen ließen sich nicht beliebig vermehren oder gar aus dem Nichts zaubern. Gauck: „Wir erhalten dieses Kapital – das wertvollste auf unserem Planeten – und damit auch unseren Wohlstand wohl nur, wenn wir die Ausbeutung der Natur und die Zerstörung der Umwelt unterbinden, wo immer das möglich sei. Gerade wenn wir Freiheit als Verantwortung verstehen, müssen wir uns dieser Aufgabe stellen. Das schulden wir uns und unseren Kindern und Enkeln.“ Mit dem heutige Festakt sei die Zuversicht gewachsen, dass das gelingen könne. Gauck: „Wir leben in einer freien, lernbereiten und lernfähigen Gesellschaft. Und ich weiß wohl, wie viel in Bewegung kommen kann, wenn einige losgehen und andere mitziehen.“
Würdigung der Preisträger durch Jurymitglieder Christiane Grefe und Claudia Kemfert
Als Mitglieder der Jury des Deutschen Umweltpreises, auf deren Vorschlag hin das Kuratorium der Stiftung die jeweiligen Preisträger eines Jahres auswählt, gingen Christiane Grefe (Wochenzeitung Die Zeit) und Prof. Dr. Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) auf die Leistungen der Preisträger 2012 ein. Kemfert lobte die Technik, für die die Preisträger 2012 stehen, als „sehr zukunftsweisend“. Mit der Auswahl der Preisträger habe die Jury ein Signal setzen wollen für die erneuerbaren Energien und ihre Bedeutung. Der ausgezeichneten Photovoltaik-Technik traue sie weltweit viel zu. In Zukunft werde sie sicher von vielen Ländern nachgefragt werden. Kemfert: „Toll, dass wir das in Deutschland produzieren.“ Christiane Grefe zeigte sich von der Ausdauer Günther Cramers fasziniert. Seit 30 Jahren verfolge er die Vision, einen hundertprozentigen Einsatz erneuerbarer Energien zu erreichen. Als Beitrag dazu produziere er nicht nur weltweit führend Wechselrichter für Photovoltaikanlagen. Sein Wirken habe auch eine soziale Dimension. Er habe eine netzunabhängige Technik gerade auch in Entwicklungsländern eingeführt, wo immer noch 1,3 Milliarden Menschen keinen Zugang zum Strom hätten.
DBU-Kuratoriums-Vorsitzender Hubert Weinzierl scheidet im Sommer aus dem Amt
Den emotionalen Schluss- und Höhepunkt des Festaktes, der vom Gewandhaus Brass Quintett sowie dem Gewandhausorganisten Michael Schönheit musikalisch umrahmt wurde, setzte DBU-Kuratoriumsvorsitzender Hubert Weinzierl. In bewegenden Worten betonte Weinzierl, der nach zehnjähriger Mitgliedschaft im Kuratorium – davon mehr als acht Jahre als Vorsitzender – turnusgemäß aus dem Vorstand der Stiftung im Sommer ausscheidet, dass er in den vergangenen 50 Jahren zahlreiche Ehrenämter in der Umweltbewegung innegehabt habe, das bei der DBU das schönste gewesen sei. Das hänge einmal damit zusammen, dass Themen der Umweltpolitik und Nachhaltigkeit über die DBU real umgesetzt werden könnten. Das liege aber auch an einem Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der DBU, die Hervorragendes leisteten. Es sei für ihn immer eine große Freude gewesen, dabei zu sein. Auch nach seinem Ausscheiden aus der DBU werde er immer Naturschützer sein und bleiben. Weinzierl appellierte an die Festakts-Teilnehmer, dem Naturschutz treu zu bleiben: „Die Nachwelt wird uns nicht an Kraftwerken und Autobahnen messen, sondern fragen, wie viel Natur wir zurückgelassen haben.“