Nördlingen. „Ohne die Visionen, das beharrliche Engagement, unternehmerische Durchsetzungsvermögen und den Mut zum Risiko von Carmen Hock-Heyl gäbe es im Hausbau heute keine Dämmmatten aus dem nachwachsenden Rohstoff Hanf und keine Firma, die sie am Markt etabliert hätte.“ – Mit diesen Worten würdigte heute Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2013 der DBU an Carmen Hock-Heyl (58), Produkterfinderin, Unternehmensgründerin und Geschäftsführerin der mittelständischen Hock GmbH & Co. KG (Nördlingen). „Carmen Hock-Heyl hat nicht nur Öko-Dämmstoffe hoffähig gemacht. Sie ist auch ein Vorbild für andere Unternehmen, weil sie Ökologie und Ökonomie erfolgreich in Einklang gebracht, gesundes Bauen möglich und regionale Wirtschaftskreisläufe wiederbelebt hat“, so Brickwedde weiter. Bundespräsident Joachim Gauck wird Hock-Heyl die mit 250.000 Euro dotierte Auszeichnung am 27. Oktober in Osnabrück überreichen.
„Vorbildliche unternehmerische und ökologische Innovationsleistung“
„Ihre vorbildliche unternehmerische und ökologische Innovationsleistung und das Alleinstellungsmerkmal der Firma Hock ist die deutschlandweit einzigartige Produktion von Dämmstoffmatten für Dach, Wand, Decke und Fassade aus dem nachwachsenden Rohstoff Hanf“, sagte Brickwedde. Doch bis die Thermo-Hanf-Produkte erst einmal auf dem Markt waren, habe Hock-Heyl einen langen und mühsamen Weg gegen Widerstände beschritten. Sie habe den gesamten Prozess von der Aussaat und Ernte des Hanfs über die Entwicklung und Produktion der Dämmstoffmatten bis hin zum Recycling komplett neu aufgebaut, für ihre Produkte geworben, viel Geld investiert und Überzeugungsarbeit geleistet. Sie habe sich in der Politik und bei Verbänden unermüdlich für nachhaltige und ressourcenschonende Dämmstoffe eingesetzt. Am Ende sei ein modellhafter Stoff- und Wirtschaftskreislauf entstanden, der die Wertschöpfung aller – möglichst regional – Beteiligten wie Landwirtschaft, Faseraufbereitung, Produktionsbetrieb, Baustoffhandel, Handwerker und Bauherren sicherstelle.
Hanfmatten: deutlich weniger Energie-Einsatz und ohne chemische oder gesundheitsschädliche Substanzen hergestellt
Die Idee, ökologische Dämmstoffe herzustellen, war der gelernten Arzthelferin und Sanitäterin im Jahr 1996 gekommen. Aus eigener Erfahrung habe sie in der Zimmerei ihrer Eltern die Probleme der Handwerker miterlebt, herkömmliche Faserdämmstoffe anzubringen, berichtet Hock-Heyl. „Glas- und Steinwolle kratzt und reizt die Haut. Beim Arbeiten über Kopf rieselt außerdem Faserstaub herab, der die Augen reizt“ Dagegen wollte sie Abhilfe schaffen. Über einen Bekannten aus der Faseraufbereitungs-Branche sei ihr der Gedanke gekommen, Hanffasern als Dämmstoff zu verwenden. „Es ist eigentlich ein Witz, dass mit herkömmlichen Dämmstoffen Energie gespart werden soll, wenn man den großen Energieaufwand betrachtet, der für die Herstellung dieser Produkte nötig ist“, kritisierte Hock-Heyl. Hanfmatten dagegen könnten mit deutlich weniger Energie-Einsatz und ohne chemische oder gesundheitsschädliche Substanzen hergestellt werden.
Firma Hock mit „Thermo-Hanf Premium“ Marktführer für Naturdämmstoffe aus Hanf
Nach einem Jahr Forschung und Entwicklung folgte 1997 die Markenregistrierung „Thermo-Hanf“, bevor 1998 in Stutensee bei Karlsruhe die Hock GmbH & Co. KG gegründet wurde, deren Geschäftsführung Carmen Hock-Heyl übernahm. Seit 2003 produziere das Unternehmen die Dämmmatten selbst, 2005 sei der Firmensitz – heute mit rund 60 Mitarbeitern – ins bayerische Nördlingen verlegt worden. Seit 2006 seien „Thermo-Hanf“-Produkte auf dem europäischen Markt. Heute sei die Firma Hock mit „Thermo-Hanf Premium“ sogar Marktführer für Naturdämmstoffe aus Hanf. Diese wichtigen Schritte von der Idee bis zur Etablierung der Thermo-Hanf-Produkte beim Baustofffachhandel und bei verarbeitenden Betrieben seien federführend von Hock-Heyl ausgegangen, wie Brickwedde betonte. Doch der Weg sei schwierig gewesen, alle hätten ihr abgeraten, sagt sie und zitiert Mahatma Gandhi: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ Besonders in einer Männer-Welt habe sie als Frau schwer zu kämpfen gehabt: „Da halfen nur Kompetenz und Sachverstand. Ich blieb hartnäckig und habe mein Ziel weiterverfolgt.“
„Komplett kompostierbarer Dämmstoff“
Das hat sich offenbar gelohnt: Das neuste Produkt der Firma Hock ist der vollständig biologisch abbaubare Wärmedämmstoff „Thermo-Hanf Plus“, dessen Entwicklung die DBU 2007 gefördert hat. Als Ergebnis konnten die in den Hanf-Matten vorhandenen bisher aus Kunststoff hergestellten Stützfasern durch biologisch abbaubare Fasern aus Maisstärke ersetzt werden, so dass ein komplett kompostierbarer Dämmstoff entwickelt wurde, der genauso gut dämme wie die herkömmlichen Hanfmatten. Außerdem ließen sich die natürlichen Rohstoffe Hanf und Mais energiesparend verarbeiten. Durch das passende Zuschneiden der Dämmmatten entstehe kaum Abfall, und Ressourcen würden geschont – ein weiterer Vorteil für die Umwelt. Hock-Heyl habe einen sehr hohen ökologischen Anspruch an ihre Produkte, den sie durch unabhängige Forschungseinrichtungen regelmäßig prüfen lasse.
„Das Rücknahmeversprechen ist einzigartig“
Im Gegensatz zu den bisher im Bau verwendeten Materialien aus Mineralwolle oder Styropor könne Hanf nach seiner Nutzung etwa beim Abriss eines Hauses von der Firma Hock zurückgenommen, aufbereitet und weiterverwendet werden. Brickwedde: „Das Rücknahmeversprechen, das die Firma Hock gibt, ist einzigartig. Dadurch sollen für künftige Generationen keine Entsorgungskosten und -probleme entstehen: ein echter Beitrag zur Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit von biologischen Bau- und Dämmstoffen.“ Einen weiteren Pluspunkt hätten die Hanf-Matten auch beim Brandschutz: Statt Chemikalien verwende die Firma Hock nur Soda als Flammschutzmittel – ein natürlich vorkommendes Salz der Kohlensäure, das im Falle eines Brandes keine giftigen Dämpfe abgebe. Außerdem sorge Hanf durch die Feuchtigkeitsaufnahme und -abgabe für ein gesundes und angenehmes Wohnklima ohne Schimmel-Gefahr, für eine gleichwertige Dämmung gegen Kälte und sogar besseren Wärmeschutz im Sommer als herkömmliche Dämmstoffe.
Bauen mit Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen weiter etablieren
Brickwedde: „Carmen Hock-Heyls Ziel war es immer, etwas für den nachhaltigen Klimaschutz zu tun und das Bauen mit Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen – insbesondere Hanf – weiter zu etablieren. Vielleicht sind ihr ihre Mühen phasenweise wie eine Sisyphos-Arbeit vorgekommen. Und sicher hat es geschmerzt, dass sie zunächst von der Baubranche belächelt wurde. Mit ihrem Mut ist es ihr aber letztlich gelungen, aus Visionen Realität zu formen: Sie hat den Hanf als Baustoff fürs Haus hartnäckig hoffähig gemacht.“
„Mit Preisgeld Verband für Naturfaserdämmstoffe gründen“
Doch damit ist ihre Vision noch nicht vollständig erfüllt und ihre Arbeit noch nicht beendet, sagt Hock-Heyl: „Mit dem Preisgeld aus dem Deutschen Umweltpreis will ich einen Verband für Naturfaserdämmstoffe gründen, um eine Interessenvertretung für alle Hersteller von nachwachsenden Dämmstoffen wie Hanf, Wolle, Flachs oder Cellulose zu schaffen, die bislang in Wirtschaft und Politik kaum Gehör finden“, erklärte Hock-Heyl. Mit Blick auf den zukünftigen Markt und die Akzeptanz von Bio-Dämmstoffen setzt sie auch große Hoffnungen in die Politik, Bio-Dämmstoffe ebenso verpflichtend zu machen wie Energiesparlampen. „Der Deutsche Umweltpreis ist ein Ansporn für mich, das Verbreiten umweltverträglicher Dämmstoffe weiter voranzutreiben“, bekräftigte Hock-Heyl.