Hilfe für das “steinerne Märchen”: Experten retten Lübecker Rathausanbau
Fassade stark umweltgeschädigt - Mittelalterlicher Bau zählt zum Weltkulturerbe - DBU fördert Konservierungskonzept mit 88.000 Euro
Osnabrück. Der Kriegsstubenbau hat schon viel gesehen. Der Erweiterungsbau des Lübecker Rathauses stammt aus dem 15. Jahrhundert und gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Doch seit einigen Jahren droht das Gebäude viel von seinem mittelalterlichen Glanz zu verlieren: Luftschadstoffe haben den Teil der Fassade, der mit glasierten Ziegeln gefasst ist, so stark geschädigt, dass bereits mehrere Ziegel abgebröckelt sind. Seither nehmen Gerüste und Sicherheitsabsperrungen häufig den Blick auf eine der Attraktionen der Lübecker Altstadt. Der Fachbereich Denkmalschutz und Materialkunde des Deutschen Bergbau-Museums in Bochum tüftelt nun zusammen mit einem Expertenteam an einer Lösung, die Fassade des Denkmals zu retten. Mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie sich die besonderen Ziegelglasuren restaurieren lassen. "Die Bedeutung des Rathauses als Weltkulturerbe verpflichtet dazu, alles zu tun, es für kommende Generationen zu bewahren", sagt DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde. Die DBU fördert das Projekt mit 88.000 Euro.
Fahndung nach rettenden Stoffen
Um die Fassade zu sichern, will das Team um Dr. Stefan Brüggerhoff vom Deutschen Bergbau-Museum in Bochum vor allem nach Glasurersatzstoffen fahnden. Damit sollen die mittelalterlichen Ziegel geschützt und zugleich das historische Erscheinungsbild wiederhergestellt werden. Unterstützt werden die Forscher aus Bochum dabei von der Abteilung Analytische Baustoffmikroskopie der Amtlichen Materialprüfungsanstalt (MPA) in Bremen, vom Fraunhofer Institut für Silicatforschung (Würzburg) sowie vom Restaurator Jochen Seebach. Dieser soll prüfen, ob die Forschungsergebnisse in die Praxis umgesetzt werden können.
Brand- und Umweltschäden
"Die Luftschadstoffe hatten beim Rathaus leichtes Spiel", erklärt Dr. Stefan Brüggerhoff vom Deutschen Bergbau-Museum. Im Zweiten Weltkrieg war das so genannte "steinerne Märchen" von einer Bombe getroffen worden und ausgebrannt. "Durch den Brand war die Ziegelglasur ohnehin schon geschädigt", so Brüggerhoff. "Die ständigen Autoabgase und die Lage Lübecks an der ehemaligen DDR-Grenze taten ihr Übriges." Kam der Wind aus Osten, habe man in der Stadt deutlich mehr Schadstoffe verzeichnen können.
Ergebnisse vielfach einsetzbar
Für die Forschung hat das Zusammentreffen von Brand- und Umweltschäden jedoch auch sein Gutes: Am Lübecker Rathaus lässt sich so ein besonderer Schadenstyp untersuchen. "Die gewonnenen Ergebnisse werden sich auch an anderen, vergleichbar geschädigten Objekten anwenden lassen", sagt Brickwedde. Doch nicht nur deshalb hilft das Projekt mehr als nur einem einzelnen umweltgeschädigten Kulturgut. "Weil die Ziegelglasur für Norddeutschland typisch ist, werden die Resultate der Wissenschaftler auf breites Interesse stoßen."
Auch Restaurierung der Renaissance-Laube unterstützt
Die DBU hat sich bereits früher für den Erhalt des Lübecker Rathauses stark gemacht. Für die Restaurierung der Natursteinfassade des Rathauses, der so genannten Renaissance-Laube, stellte die Stiftung in den vergangenen vier Jahren insgesamt rund 260.000 Euro zur Verfügung. Die Arbeiten, die soeben abgeschlossen wurden, sind ebenfalls vom Deutschen Bergbau-Museum durchgeführt worden.