Glücksfall für Ost und West: „grenzenlose“ Liebe zur Natur

Deutscher Umweltpreis 2017: Einzelwürdigung Umweltpreisträger „Grünes Band“

Osnabrück. „Das ‚Grüne Band‘ ist das erste und größte gesamtdeutsche Naturschutzprojekt. Nur durch die Liebe engagierter Naturfreunde konnte die rund 1.400 Kilometer lange ehemalige innerdeutsche Grenze für die Pflanzen- und Tierwelt erhalten werden, die einen Zufluchtsort innerhalb des ehemaligen ‚Todesstreifens‘ gefunden hatten. Am Grünen Band in Deutschland wurde auch die Vision einer europäischen Initiative für ein Grünes Band Europa als längster Lebensraumverbund des Kontinents ins Leben gerufen und ein Symbol für die Überwindung des Kalten Krieges gesetzt!“ – Mit diesen Worten würdigte heute Prof. Dr. Werner Wahmhoff, stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2017 der DBU an drei Personen, die maßgeblich das Grüne Band vorangebracht haben: Inge Sielmann (87), Dr. Kai Frobel (58) und Prof. Dr. Hubert Weiger (70). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Auszeichnung am 29. Oktober in Braunschweig überreichen. Preisgeld: 245.000 Euro.

Sie fesselt das "Grüne Band": Für ihr Engagement werden 2017 Inge Sielmann, Dr. Kai Frobel (l.) und Prof. Dr. Hubert Weiger mit dem Deutschen Umweltpreis der DBU ausgezeichnet.
© BUND/Heinz Sielmann Stiftung

Der Initiator: Dr. Kai Frobel

„Dr. Kai Frobel wird als der Initiator und Namensgeber des ‚Grünen Bandes‘ angesehen“, so Wahmhoff. Er habe lange vor der Wende durch seine Vorarbeiten und seine Kontaktaufnahme zu Kollegen in der ehemaligen DDR die Basis für das Grüne Band gelegt. Seine Kartierungen und seine Diplomarbeit belegten bereits in den 70er und 80er Jahren bundesweit erstmals das hohe Naturpotenzial und die herausragende Bedeutung des Grenzstreifens auf einer Strecke von 140 Kilometern. Durch das erste überregionale Pressegespräch „Todesstreifen als Zufluchtsort“ und eine große Konferenz mit 400 Teilnehmern aus Ost und West habe er den Grundstein für die Resolution zum Schutz des Grünen Bandes gelegt. 1998 gründete der in Nürnberg ansässige Geoökologe das bundesweit und international tätige Projektbüro Grünes Band des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und koordiniert es bis heute mit dem Ergebnis, dass es auch ein Musterprojekt der Zusammenarbeit von Naturschutzverbänden und der staatlichen Ebene geworden sei. Für seine Arbeiten zum Grünen Band erhielt Frobel zusammen mit anderen die Bayerische Verfassungsmedaille in Silber (2009), den Großen Binding-Preis für Natur- und Umweltschutz (2010), den Gerhard-Thielke-Naturschutzpreis (2011) und die Bayerische Europamedaille (2015). Der Nürnberger hat neben seiner leitenden Position beim Projektbüro Grünes Band einen Lehrauftrag am Lehrstuhl für Biogeografie an der Universität Bayreuth und ist Sprecher des Bundesarbeitskreises Naturschutz des BUND sowie Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des BUND.

Dr. Kai Frobel legte lange vor der deutschen Wiedervereinigung durch seine Vorarbeiten und seine Kontaktaufnahme zu Kollegen in der ehemaligen DDR die Basis für das Grüne Band.
© BUND

Der Visionär: Prof. Dr. Hubert Weiger

Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, hat nach Darstellung der DBU den völkerverbindenden Charakter des Projektes, der auf interdisziplinären Dialog ausgerichtet ist, zusammen mit Frobel vorangetrieben. „Er dachte zudem über die Grenzen Deutschlands hinaus und hatte die Vision eines grünen Bandes Europa“, so Wahmhoff, „die er 2002 bei der Eröffnung des Projekts ‚WestÖstliches Tor‘ verkündete.“ Bei dem Projekt handelte es sich um einen künstlerischen Wettbewerb zur Vermittlung von Informationen im Umwelt- und Naturschutz. Es wurde von 2000 bis 2002 von der DBU fachlich und finanziell gefördert. Dies habe den Anstoß zur Initiative Grünes Band Europa gegeben, die heute mit 12.500 Kilometern den längsten Lebensraumverbund des Kontinents darstellt. Weiger habe sich seit der Initiative für das erste deutsche Naturschützertreffen im Dezember 1989 nach dem Mauerfall kontinuierlich als Mitglied zahlreicher Gremien auf verbands- und umweltpolitischer Ebene um den Erhalt des Grünen Bandes besondere Verdienste erworben. Der Fürther sei Garant für das Engagement des BUND am Grünen Band – in Deutschland und Europa. Er habe stets seine „schützende, fordernde und fördernde“ Hand über das Grüne Band gehalten – auch in schwierigen Zeiten. Gleichzeitig gelte dieser Biotopverbund als Erinnerung an die Überwindung des kalten Krieges sowie als Modellbeispiel für die Umsetzung europäischer grüner Infrastruktur.

Das Grüne Band stellt eine wichtige Wegeverbindung für die Wildkatze und den Luchs dar. Im ehemaligen Grenzstreifen haben zudem hunderte bedrohte Arten Zuflucht gefunden. Deshalb hat sich Prof. Dr. Hubert Weiger stets für den Erhalt des ehemaligen Grenzstreifens eingesetzt.
© BUND

Die Stifterin: Inge Sielmann

„Das Engagement von Inge Sielmann ist zwar untrennbar mit den Initiativen ihres Mannes – DBU-Ehrenpreisträger Heinz Sielmann (2005) – verbunden. Nach dessen Tod ist es ihr zu verdanken, dass das Begonnene konsequent weiterverfolgt und Neues, vor allem in der Umweltbildung, initiiert wurde“, betonte Wahmhoff. Besondere Verdienste zum Biotopverbund entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze habe sie als Vorsitzende des Stiftungsrates der Heinz Sielmann Stiftung erworben, wie zum Beispiel durch die Sicherung weiterer Flächen. Das Vorhaben „Biotopverbund Harz-Eichsfeld-Werratal“ sei beispielgebend für die Pflege und Entwicklung der Lebensräume im Grünen Band. Darüber hinaus habe die Münchenerin große Verdienste in der Umweltbildung erworben. Mit dem Film „Tiere im Schatten der Grenze“ machte das Ehepaar bereits 1988 auf den herausragenden naturschutzfachlichen Stellenwert des Grenzgebietes zwischen Bundesrepublik und ehemaliger DDR aufmerksam. Mit der Standortentscheidung der Sielmann Stiftung für Gut Herbigshagen bei Duderstadt – nur einen Kilometer entfernt von der damaligen innerdeutschen Grenze – habe Inge Sielmann bis heute ein Bekenntnis zum Grünen Band abgelegt und ein unübersehbares Ausrufezeichen für den Bildungsauftrag am und mit dem Grünen Band gesetzt. Die verschiedenen Initiativen vom Kindergarten über die Grundschulen bis hin zum „Forscher für Morgen“ stellten ihre Auszeichnungswürdigkeit zum Schutz der biologischen Vielfalt am Grünen Band heraus. So übernahm sie unter anderem die Patenschaft für den „Inge Sielmann Kindergarten“ in Fuhrbach bei Duderstadt und die Inge-Sielmann-Grundschule Milow. Insofern vervollständige sie die Initiativen von Frobel und Weiger durch viele Aktivitäten im Umweltbildungsbereich zu einem ganzheitlichen Ansatz.

Die Natur im Blick: Inge und Heinz Sielmann sichten Filmmaterial.
© Heinz Sielmann Stiftung

Der „Eiserne Vorhang“ – Ein Symbol für ein menschenverachtendes System

„Der Eiserne Vorhang war ein Symbol für das menschenverachtende System der sozialistischen Diktaturen im Osten und traf Deutschland besonders hart, weil ein ganzes Volk geteilt wurde“, so Wahmhoff. Dieser Zusammenhang dürfe nicht vernachlässigt oder beschönigt werden, wenn über den Naturschutz in dem ehemaligen Grenzgebiet zwischen Ost und West geredet werde. Grenzbefestigungen, Minenfelder, Schießbefehle und Selbstschussanlagen hätten vielen Menschen bei der versuchten Flucht das Leben gekostet. Auch wirtschaftlich gesehen habe es sich durch die Abschottungspolitik der DDR um eine Grenze zwischen Prosperität und wirtschaftlichem Abschwung gehandelt. Wahmhoff: „Fakt ist aber auch, dass viele Tiere auf dem ‚Todesstreifen‘ Rückzugsbereiche und Wanderkorridore fanden.“ Das „Grüne Band“ sei aus diesem Grund sehr naturnah geblieben und zeichne sich durch eine sehr hohe Vielfalt aus, was Struktur, Lebensräume und Arten angehe. „Entlang des Grünen Bandes liegen 150 Naturschutzgebiete. Dies ist im Vergleich zu anderen Schutzgebieten ebenfalls ein einmaliges Alleinstellungsmerkmal“, so der stellvertretende DBU-Chef.

Das „Grüne Band“ – Natur kennt keine Grenzen

Doch nicht nur daran lasse sich die Bedeutung des Biotopverbunds messen, sondern auch an der historisch-politischen Symbolkraft, die sich durch die Wende geändert habe. Wahmhoff: „Aus einer ehemals völkertrennenden, die Menschen isolierenden und tötenden Grenze wurde – durch den friedlichen Aufstand der Bürger geöffnet – eine grüne Verbindungslinie für die Natur und das Naturerlebnis: ein lebendiges Denkmal!“ Einen rund 1.400 Kilometer langen und 50 bis 200 Meter breiten Geländestreifen für die Natur zu sichern, lasse sich aber nur mit vielen tatkräftigen Unterstützern aus Politik und Verbänden, von Fachleuten und Ehrenamtlichen umsetzen. „Im Sinne eines ganzheitlichen Schutz-, Entwicklungs- und Bildungsansatzes verkörpern die drei Umweltpreisträger die naturschutzfachlich-wertvolle und völkerverbindende Initiative ‚Grünes Band‘“, so Wahmhoff.

Prof. Dr. Hubert Weiger (r.) bei einem Besuch des damaligen Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler am Grünen Band Sachsen mit der Überreichung des Fotos der Initiativveranstaltung in Hof am 8.12.1989.
© BUND
Filmaufnahmen mit dem koreanischen Fernsehen: Auch international wirbt Dr. Kai Frobel für den Naturschutz und die Idee des Grünen Bandes.
© BUND

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