Freising. „Ihre exzellente Forschung stellt die immense Bedeutung des Bodens als Wasser- und Nährstoffspeicher, Lebensspender, Schadstofffilter und Garant für die Welternährung heraus. Ein Meilenstein sind dabei neue Erkenntnisse zur Kohlenstofffixierung im Boden die weltweit das Klimasystem beeinflusst.“ – Mit diesen Worten würdigte heute Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2019 an die Geoökologin Prof. Dr. Ingrid Kögel-Knabner (60), Inhaberin des Lehrstuhls für Bodenkunde am Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München (TUM), Freising. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Auszeichnung am 27. Oktober in Mannheim überreichen. Kögel-Knabner erhält ein Preisgeld von 250.000 Euro.
Schritt für Schritt ökologische Vorgänge im Boden sichtbar gemacht
„Mit Frau Kögel-Knabner zeichnen wir eine hochrangige Wissenschaftlerin aus, die mit ihren vielzitierten Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Bodenkunde höchstes Ansehen erlangt hat und deren Expertise weltweit gefragt ist“, so Bonde. Gleichzeitig wirke sie passend zu ihrer Berufung sehr bodenständig. Vom Bauernhof stammend, habe sie ihre Verwurzelung mit der Landschaft zur Leidenschaft gemacht und als Wissenschaftlerin Schritt für Schritt die ökologischen Zusammenhänge des Bodens aufgedeckt. In die Landschaft „reinzoomen“ bis zur Nanometer-Ebene, die Vorgänge „sichtbar“ machen und mit dem Wissen über diesen Kleinstkosmos „Aussagen auf die Landschaft treffen“ – also wieder „rauszoomen“ –, das treibe sie an. Bonde: „Eine ihrer großen Fähigkeiten ist es, durch das Betrachten des Nanokosmos Boden komplexe Zusammenhänge globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Erhalt der Lebensvielfalt, Landnutzung und Ernährung aufzuklären und zu nachhaltigen Lösungsansätzen beizutragen.“ An der TUM habe sie eines der international bedeutsamsten bodenwissenschaftlichen Labore aufgebaut, das sich durch ein breites Spektrum modernster analytischer Methoden auszeichne und ein Mittelpunkt für Wissenschaftler der ganzen Welt sei.
Böden wichtig für Kohlenstoffspeicherung
Unbestritten unter Wissenschaftlern ist, dass der Mensch für die Erderwärmung verantwortlich ist, unter anderem da er durch das Nutzen fossiler Energien zu viel Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre entlässt. Die künftige Umweltpreisträgerin betont: „Böden sind wichtig, um CO2 aus der Atmosphäre zu holen.“ Kohlendioxid werde von den Pflanzen aufgenommen und – wenn diese absterben – durch Zersetzungsprozesse von Mikroorganismen wieder freigesetzt. Um den in den Pflanzenresten gebundenen Kohlenstoff – das „C“ im CO2 – im Boden zu halten, gebe es mehrere Mechanismen.
„Kartenhausstruktur“ lagert Pflanzenreste ein
„Wenn ein Granit oder ein Basalt verwittert, dann bilden sich Tonminerale“, beschreibt die aus Franken stammende Forscherin einen davon. Tonminerale seien im Mikrometerbereich plättchenförmig aufgebaut, wie eine „Kartenhausstruktur“. In den winzigen Zwischenräumen würden sich pflanzliche Reste einlagern und mit Hilfe mikrobieller Schleime zu organisch-mineralischen Strukturen verkleben – Humus in Form von feinporigen „Krümeln“. Die verklebten Strukturen halten auch Keime zurück: „Eine wesentliche Eigenschaft von Böden, deswegen können wir Grundwasser trinken.“ Die Poren seien „so klein, dass die Mikroben da nicht mehr ran kommen“, so dass diese die Pflanzenrückstände nicht „fressen“ können und der Kohlenstoff darin im Boden bleibe. Bonde: „Dieses bessere Verständnis klimarelevanter Prozesse ist eng verknüpft mit der besonderen Leistung von Kögel-Knabner, neuartige Technologien wie ein hochsensibles NanoSIMS-Gerät mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und innovative spektroskopische Methoden in der Bodenkunde auf Nanometer-Ebene zu etablieren. Sie hat quasi Licht ins Erddunkel gebracht und den Boden-Nanokosmos sichtbar gemacht.“
Große Effekte durch Temperaturerwärmung in den Permafrostböden
So habe ihre Initiierung und Koordination eines DFG-Schwerpunktprogrammes zu Böden als Quelle und Senke für CO2-Mechanismen und Regulation und Stabilisierung organischer Substanz in Böden wesentlich dazu beigetragen, dass die deutsche Bodenkunde führend auf dem Forschungsfeld sei. „Wenn wir einen Teil des Kohlenstoffs den Mikroben entziehen, dann kann man den im Boden länger halten. Und zwar für Jahrhunderte oder Jahrtausende“, betont die Bodenkundlerin. Doch je wärmer es werde, desto besser arbeiteten die Mikroorganismen im feuchten Boden und desto mehr Kohlendioxid setzten sie frei. Deshalb seien große Effekte auf das Klima durch Temperaturerwärmung in den Permafrostböden, also Alaska, Kanada, Nordskandinavien und Sibirien zu erwarten. In Klimamodellen sei der Boden noch weitgehend unterrepräsentiert, so Kögel-Knabner. Auch der im Juli veröffentlichte IPCC-Bericht des Weltklimarats weist diesbezüglich auf Schwachpunkte hin.
Kohlenstoff in die Tiefe bringen – Standortvielfalt fördert Biodiversität
Die vielfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin untersuche derzeit in der angewandten Wissenschaft, welche Bewirtschaftungsmaßnahmen geeignet seien, um die Pflanzenreste tief in den Boden zu verbringen. „Das macht die Natur über Bioturbation, vor allem Regenwürmer oder größere Tiere, die das nach unten bringen“, beschreibt Kögel-Knabner. Ohnehin gebe es unterirdisch mehr Biomasse als oberirdisch – laut Umweltbundesamt übertreffe die Zahl der Lebewesen in einer Handvoll Boden die der Weltbevölkerung – und viele Insekten seien auf den Boden als Lebensraum angewiesen. Landwirtschaftliche Erträge, so die Professorin, führen zur Kohlenstoffspeicherung im Boden: „Hohe Erträge bedeuten auch ein großes Wurzelsystem, das etwa nach der Ernte im Boden verbleibt.“ In Regionen, „wo die Erträge niedrig sind, beispielsweise Afrika, ist noch viel mehr Potenzial. Da könnte man allein über ertragssteigernde Maßnahmen mehr Kohlenstoff in den Boden einbringen.“ Dies würde auch zur weltweiten Ernährungssicherung beitragen. Wichtig sei, Standortdaten besser zu nutzen und eine differenziertere, standortspezifische Herangehensweise in der Landbewirtschaftung anzustreben.