Mainz. Noch heute erinnern Panzersperren und Bunkerruinen an den ehemaligen „Westwall“, dem im Dritten Reich von Kleve bis Basel errichteten Verteidigungssystem der Nationalsozialisten. Damals als „Meisterwerk der Festungskunst“ propagiert, ziehen die ruinösen Reste der Anlage heute vor allem Denkmalpfleger und Naturschützer in ihren Bann: „In den Bunkern haben sich im Laufe der Jahrzehnte Fledermäuse, Wildkatzen und Eidechsen einquartiert. Wegen ihres bandförmigen Verlaufs führen sie verschiedene Landschaftsräume zu einer großen Biotopkette zusammen“, betonte heute Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die Stiftung unterstützt deshalb mit rund 125.000 Euro das Projekt „Grüner Wall im Westen“ des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Rheinland-Pfalz e. V. Ziel ist der Erhalt der Anlage durch neue Konzepte, die Denkmalpflege und Naturschutz vereinen sollen.
Höhlen und Gehölze ermöglichen reiches Artenspektrum
„Dem ‚Westwall‘ kommt nicht nur ein hoher historischer Wert als Mahnmal zu. Seine Überreste haben sich zu wichtigen Rückzugsorten für seltene und bedrohte Tiere und Pflanzen entwickelt und sind deshalb auch aus naturschutzfachlicher Sicht von großer Bedeutung“, betonte auch Landesgeschäftsführerin Sabine Yacoub vom BUND Rheinland-Pfalz. Die vielen unterschiedlichen Lebensräume – Höhlen, Gehölzgruppen, sonnige und schattige Betonflächen – ermöglichten ein reiches Artenspektrum. Die Stollen und Spalten in den Ruinen seien ideale Sommer- und Winterquartiere für Fledermäuse. Auch Reptilien wie Mauer- oder Zauneidechsen hätten dort ihr Zuhause. „Die unterschiedlichen Lebensräume werden durch die linienförmige Anordnung der Einzelanlagen miteinander vernetzt und tragen damit maßgeblich zum Austausch genetischer Ressourcen bei“, sagte Yacoub weiter.
630 Kilometer langen Wall als Mahnmal erhalten
Im Rahmen des Projekts soll der 630 Kilometer lange Wall aber nicht nur als Lebensraum und Verbundachse für gefährdete Arten bewahrt werden: „Der ‚Westwall‘ muss auch als architektonisches Denkmal, Mahnmal und Zeitzeugnis der jüngeren Geschichte vor Verfall und Zerstörung geschützt werden“, ergänzte Dr. Paul Bellendorf, Leiter des Referats „Umwelt und Kulturgüter“ bei der DBU. Nicht selten müssten Teile des ehemaligen Bollwerks neuen Straßen und Wohnbauten weichen. Diese Abschnitte würden in der Regel zertrümmert oder eingeebnet. Wie schwer sich Natur- und Denkmalschutz unter einen Hut bringen lassen, zeigten auch Diskussionen über die Gefahrenpotenziale der baufälligen Anlagen für Spaziergänger, erklärte Bellendorf: „Stollen oder Höhlen können einstürzen. Sie zu verschließen, wäre wiederum ein Todesurteil für ganze Fledermauskolonien.“
Entwickeln von individuellen Maßnahmenkonzepten
Im engen Kontakt mit Naturschützern, Denkmalpflegern und Historikern sowie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die für die Gefahrensicherung auf den Flächen verantwortlich ist, sollen nun Mittel und Methoden gefunden werden, die den Fortbestand der Anlagen sicherstellen. Laut Bellendorf werden zunächst Daten über den Zustand einzelner Anlagen gesammelt und dokumentiert. Anhand der Ergebnisse sollen individuelle Maßnahmenkonzepte entwickelt und in Beispielräumen sowie an Modellobjekten erprobt werden. Zur Auswahl stünden unter anderem die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden Dahner-Felsenland, Arzfeld, Neuerburg, Irrel, Trier-Land, Zweibrücken-Land, Pirmasens-Land und die Stadt Pirmasens. Ausgewählte Wall-Abschnitte würden anschließend kartiert. Die erarbeiteten Ansätze sollen als Printvorlage oder übers Internet für Museen und Ausstellungen verfügbar gemacht werden.
Ansprechpartner für Fragen zum Projekt (AZ 29482): Sabine Yacoub, Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Landesverband Rheinland-Pfalz e. V., Telefon 06131/627060, Telefax 06131/6270666