Zeulenroda. Sie kommen in Scharen und können ganze Fichtenwälder zerstören. Die Borkenkäfer haben sich wie an vielen anderen Orten in Mitteldeutschland auch auf der rund 1.900 Hektar großen DBU-Naturerbefläche Pöllwitzer Wald eingenistet. „Der Befall hat sich seit August so dramatisch erhöht, dass wir anders als sonst eingreifen, befallene Bäume fällen und schnellst möglich abtransportieren, um eine weitere Vermehrung zu unterbinden“, erklärt Prof. Dr. Werner Wahmhoff, Fachlicher Leiter des gemeinnützigen Tochterunternehmens der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), dem DBU Naturerbe. Normalerweise greife der Eigentümer auf seinen Naturschutzflächen bei einem üblichen Borkenkäferbefall nicht ein, solange ein Schutzabstand von 500 Metern zu fremden Fichtenbeständen bestehe. Im Pöllwitzer Wald sind jetzt aber große Holzerntemaschinen wie sogenannte Harvester und Forwarder wahrscheinlich bis Dezember im Einsatz. „Wir sind gesetzlich verpflichtet und tun wie andere Waldbesitzer unser möglichstes, um die Plage einzudämmen“, so Wahmhoff.
Käferlarven lassen Fichten sterben
Wenn der Borkenkäfer eine geschwächte Fichte befällt, ist die Folge absehbar: Der Baum stirbt ab. Die Larven der Käfer ernähren sich von den saftführenden Schichten des Baumes in der Rinde, dem Bastgewebe. Diese Schicht stellt die Lebensader des Baumes dar. „Zudem trägt der Altkäfer einen Pilz ein, der den Absterbeprozess beschleunigt“, erklärt Revierleiter Robert Zimmermann-Safar vom Bundesforstbetrieb Thüringen-Erzgebirge. Der Förster rechnet vor: Ausgehend von rund 60 Nachkommen pro Weibchen können ihre Nachkommen bei jährlich drei Generationen und mehreren Geschwisterbruten mehr als 100.000 Käfer pro Jahr betragen.
Eine Frage der Zeit: Schneller Abtransport wichtig
Die Zahl zeige: „Wenn wir den Borkenkäferbefall stoppen wollen, müssen wir schnell sein“, so Zimmermann-Safar. Sind die Käfer erst einmal ausgeflogen, seien weitere Fichten in Gefahr. Doch der Abtransport sei derzeit schwierig, da die Sägewerke ausgelastet seien. Die Stämme müssten aufwendig zwischengelagert oder die Rinde vor Ort abgeschält werden.
Beste Voraussetzungen für massenhafte Vermehrung
„Wir haben das Geschäft mit dem Borkenkäfer jedes Jahr. Doch die Wetterereignisse 2018 schufen beste Voraussetzungen für die massenhafte Vermehrung vor allem auch vom Buchdrucker – einer etwa Reiskorn großen Art des Käfers“, erläutert der Revierleiter. Erst der milde Winter und der Januarsturm Friederike, der bereits viel Holz hinterlassen habe. Dann kamen auch noch die monatelange Hitze und Trockenheit, die förmlich das Wasser aus den Bäumen gesogen hätten. Dadurch könnten die Fichten nicht mehr so gut Harz bilden, was ihre Widerstandskraft weiter schwäche. „Gesunde Bäume wehren sich gegen den Borkenkäfer, indem sie seine Larvengänge unter der Rinde verharzen“, so Zimmermann-Safar.
Revierleiter auf Spurensuche
Mit drei Waldarbeitern kontrolliert Zimmermann-Safar daher gewissenhaft die Fichtenbestände auf der DBU-Fläche. Viele hundert Stämme sind befallen. Die vier Männer suchen nach Spuren vom Borkenkäfer, genauer gesagt seiner Larven, die unter der Rinde sitzen: Mal ist es Bohrmehl, das am Stamm abrieselt und auf seine Larven unter der Fichtenrinde hindeutet. Oder es ist ein Specht, der den Käfernachwuchs in den betroffenen Bäumen identifiziert und Rinde entfernt. Manchmal enttarnen Harzspuren an den Stämmen, dass die Fichte versucht hat, die Larvengänge zu verkleben.
Borkenkäfer: Totengräber und Geburtshelfer zugleich
Der Borkenkäfer ist zwar Totengräber, aber in Maßen auch Geburtshelfer: Gerade in Schutzgebieten wie den DBU-Flächen würden sie helfen, Licht und Raum für stabilere Mischwälder mit einem höheren Laubbaumanteil zu schaffen. „Der Waldumbauprozess, der auf unseren Flächen sonst Jahrzehnte dauert, wird deutlich beschleunigt“, erklärt Wahmhoff. Da die DBU-Tochter im Normalfall auch das Totholz nach einem überschaubaren Käferbefall in der Fläche lasse, schafft der Borkenkäfer einen seltenen wie auch wichtigen Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten.
DBU-Tochter auf rund 70.000 Hektar in zehn Bundesländern aktiv
Die Stiftungstochter ist im Rahmen des Nationalen Naturerbes verantwortlich für bundesweit 71 Flächen mit 70.000 Hektar in zehn Bundesländern. Die größtenteils ehemaligen Militärflächen sollen offene Lebensräume mit seltenen Tier- und Pflanzenarten durch Pflege bewahren, Wälder möglichst ohne menschlichen Eingriff ihrer natürlichen Entwicklung überlassen, artenarme Forste zu naturnahen Wäldern umwandeln und Feuchtgebiete sowie Gewässer ökologisch aufwerten oder erhalten.