Berlin/Dresden. Für Mensch und Umwelt bedeuten Hochwasser erhebliche Belastungen. Neben den immensen gesundheitlichen Gefährdungen können große Schäden an Gebäuden oder Industrieanlagen entstehen, Schadstoffe in die Umwelt gelangen und große Teile kommunaler Infrastruktur lahmgelegt werden. Um ein besseres Risikomanagement speziell im besiedelten Raum zu ermöglichen, entwickelten die Firma virtualcitySYSTEMS (VCS, Berlin) und das Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik (IWD) der Technischen Universität Dresden eine Methodik, bei der Entscheidungsträger bei Behörden, Polizei und Feuerwehren schneller und zielgenauer planen und reagieren könnten. „Durch den Klimawandel wird es in Deutschland häufigere und schwerere Überflutungen geben. Je realer die Vorhersage gelingt, desto besser können Städte und Gemeinden die Bevölkerung informieren und Vorsorge treffen“, sagt Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die das Projekt fachlich und finanziell mit 235.000 Euro fördere.
Bisheriger Stand der Technik: Zweidimensionale Modelle
Verheerende Hochwasser mit Schäden in Milliardenhöhe seien zum Beispiel infolge des Elbe- und Saalehochwassers im Jahr 2013 oder durch die Elbe-Flut mit Mulde-Hochwasser im Jahr 2002 entstanden. Dennoch gerieten Erkenntnisse oder Erfahrungen, die während solcher Ereignisse gesammelt wurden, wegen der eher längeren hochwasserfreien Perioden wieder in Vergessenheit oder fehlten in Regionen, die bisher nicht betroffen waren. „Nach dem bisherigen Stand der Technik nutzen städtische Umweltämter und Kreisverwaltungen zweidimensionale digitale Überflutungsszenarien für die Voraussage“, erklärt Franz-Peter Heidenreich, DBU-Fachreferent Kreislaufführung und Bautechnik. Die räumlichen Charakteristiken solcher Bauten, dazu zählten auch Deiche, Spundwände und Dämme aus Sandsäcken, könnten bisher nur stark vereinfacht berücksichtigt werden. Zudem könnten tatsächliche Verläufe bei einem aktuellen Hochwasserereignis bislang erst nachträglich in die Datenbank eingefügt werden.
Einfluss von Brücken, Deichen und Sandsäcken besser vorhersehen
Projektleiter Dr. Arne Schilling von VCS: „Mit der neuen Methodik werden erstmals hydronumerische Strömungssimulationen mit komplexen dreidimensionalen Stadtmodellen, die derzeit für Planungszwecke verwendet werden, kombiniert.“ Zum einen sei mit der fotorealistischen dreidimensionalen Darstellung eine Prognose besser erkennbar und damit auch für die Bürger-Information besser geeignet. Um das Risikobewusstsein der Bevölkerung zu schärfen, wurde etwa eine computergestützte Anwendung entwickelt, die zum Beispiel frühere Hochwasserstände an ausgewählten Stellen originalgetreu wiedergeben könne. Zum anderen können die räumlichen Eigenschaften von Bauwerken, inklusive deren Auswirkungen auf das Strömungsverhalten des Wassers, besser berücksichtigt werden. „Wir haben als Modell Dresden verwendet und mit Informationen über die Gewässersohle der Elbe kombiniert. Über die Elbe führen im Stadtgebiet einige Brücken, deren Pfeiler zum Beispiel den Strömungsverlauf des Flusses durch Einengungs- und Aufstaueffekte erheblich beeinflussen können, wenn der Pegel ansteigt. Diese Einflüsse können wir mit hochgenauen dreidimensionalen Simulationen nun besser untersuchen“, so Schilling.
Echtzeit-Informationen ermöglichen unmittelbares Reagieren
Bisher sei es darüber hinaus nicht möglich, Abweichungen, die bei einem aktuellen Hochwasserereignis beobachtet werden, sofort in das System zu übertragen. Durch Einbeziehen von Echtzeitdaten von Pegelmessstellen sind Änderungen der Abflussmengen nun einfacher zu erfassen und Prognosen können angepasst werden. „Es ist ein praxistaugliches Werkzeug entstanden, das für Analysen vor, während und nach einem Flusshochwasser eingesetzt werden kann“, so Schilling. Bauliche Maßnahmen gegen Hochwasser könnten in ihrer Wirkung überprüft und verbessert werden. Ebenso sei es möglich vorherzusehen, welche Gebäude in welchem Ausmaß beschädigt werden würden. Bereits vorliegende Strömungssimulationen könnten mit dem Verfahren nachgebessert werden. Schilling: „Wir haben eine Methodik entwickelt, die die Einsatzplanung schneller, flexibler und zielgenauer macht.“ Das Vorhaben trage zum Erreichen der Ziele der Hochwasserrisiko-Management-Richtlinie der Europäischen Union bei, indem es detailliertere Risikoanalysen für ein verbessertes Hochwasserrisiko-Management ermögliche.
Ansprechpartner bei fachlichen Fragen zum Projekt (AZ 34205): Dr. Arne Schilling, Tel. 030|8904871-54