Duberlug-Kirchhain. Der Wolf hat sich mittlerweile auf vielen Naturerbeflächen in Ostdeutschland wieder angesiedelt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze informierte sich heute auf der DBU-Naturerbefläche Weißhaus über den Umgang der dortigen Schäfer und Schäferinnen mit den Rudeln. Gemeinsam mit dem Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Alexander Bonde, und einigen Behörden- sowie Medienvertretern besuchte sie im Rahmen ihrer Sommerreise die brandenburgische Fläche im Nationalen Naturerbe, um mit drei Schäfern aus der Region sowie dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der Berufsschäfer, Günther Czerkus, ins Gespräch zu kommen. Rene Jeronimus, Matthias Möckel und Annett Hertweck machten im Hinblick auf die Wölfe auf den DBU-Naturerbeflächen deutlich, dass ein Schutz vor den Wölfen möglich sei, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen würden. „Das größte Problem für die Schäfer ist nicht der Wolf, sondern die fehlende Agrarförderung. Es wird höchste Zeit, dass wir eine Weidetierprämie in Deutschland einführen, zumal es sie schon in fast ganz Europa gibt“, so Schulze.
Nationales Naturerbe dient dem Wolf als Lebensraum
Die großen zusammenhängenden, ungestörten Wälder auf den ehemaligen militärisch genutzten Liegenschaften im Nationalen Naturerbe bieten dem Wolf geeignete Lebensräume. „Hier in Weißhaus haben wir seit Jahren immer wieder Wolfsbeobachtungen, aber noch kein nachgewiesenes sesshaftes Paar. Hingegen leben sie im Daubaner Wald bereits seit 2006“, erläuterte Bonde. Auf der DBU-Naturerbefläche Prösa sei 2017/18 ein Paar sesshaft geworden und habe laut Franz von Plettenberg vom Bundesforstbetrieb Lausitz aktuell auch mindestens sechs Welpen.
Schäfer setzen auf Herdenschutzhunde und gesicherte Nachtpferche
Die Schäfer haben sich den geänderten Bedingungen angepasst: „Wir haben Nachtpferche gebaut und arbeiten mit dem sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie eng an einem Demonstrationsvorhaben, bei dem verschiedene Präventionsmaßnahmen getestet werden sollen“, erläuterte Hertweck. Die Geschäftsführerin der Naturschutzstation Östliche Oberlausitz musste im vergangenen Jahr einen schweren Wolfsriss verkraften: Über 40 Tiere aus ihrer Herde waren den Wölfen auf der DBU-Naturerbefläche Daubaner Wald zum Opfer gefallen. „Wir müssen nach vorne schauen und unsere Arbeitsweise anpassen“, schlussfolgerte sie. Möckel und Jeronimus setzen auf Herdenschutzhunde. Sie seien mindestens so groß wie die Wölfe. Die Hunde würden für die Wildtiere eine echte Gefahr darstellen. Die Schafe in der Herde seien deswegen nicht mehr interessant für sie.
DBU Naturerbe sieht sich den Weidetierhaltern besonders verpflichtet
In Deutschland lebten 2017/18 nach amtlichen Zahlen 75 Wolfsrudel, 30 Wolfspaare und drei territoriale Einzeltiere. „Als Eigentümer von 71 Naturschutzflächen des Nationalen Naturerbes mit rund 70.000 Hektar sehen wir die natürliche Ausbreitung des Wolfes in Deutschland als normale Entwicklung für die Biodiversität“, erklärte Bonde. So wichtig und richtig es für die Artenvielfalt in Deutschland sei, dass der Räuber hierzulande wieder heimisch wird – so stelle der Wolf Weidetierhalter vor Herausforderungen, die teils beachtlich seien. „Da viele unserer Flächen aufgrund der ehemals militärischen Nutzung munitionsbelastet sind und maschinelle Pflege nur eingeschränkt möglich ist, sind Schäfer als Pächter auf unseren Flächen unverzichtbar, wenn wir unsere Naturschutzziele erreichen wollen“, so der DBU-Generalsekretär. Gerade den individuellen Belangen der Tierhalter sehe sich das DBU Naturerbe besonders verpflichtet.
Czerkus fordert Weidetierprämie aus EU-Mitteln
Auch für Czerkus gibt es zum Miteinander von Wölfen und Weidetieren keine Alternative. „Es kann lediglich um das ‚wie‘ gehen“, erklärte der Bundesvorsitzende der Berufsschäfer. Um innovative Lösungen für wirksame Schutzinstrumente gegenüber den Wölfen zu finden, fehle Schäfern die finanzielle Unterstützung. Der Bundesvorsitzende begrüßte die Entschließung des Bundesrates vom 28. Juni, die sich dafür ausspricht, dass Weidetierhalter baldmöglichst eine jährliche Pro-Kopf-Prämie von 30 Euro je Mutterschaf aus Mitteln der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union erhalten sollen. Ohne wirksame finanzielle Unterstützung sei es um die Zukunft der Berufsschäferei zudem schlecht bestellt: „In weniger als zehn Jahren gehen mehr als die Hälfte der heutigen Berufsschäfer in Rente. Wir bekommen aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen keine Auszubildenden mehr“, so Czerkus.