Osnabrück. Wenn Nutztiere medizinisch behandelt werden, können Medikamentenrückstände zum Beispiel über die Gülle in den Boden und die Gewässer gelangen. Der Einsatz von Antibiotika kann dazu führen, dass sich Krankheitserreger so verändern, dass dann Medikamente nicht mehr wirken: Es entstehen Antibiotikaresistenzen. „Wir brauchen praxistaugliche Lösungsansätze, die einerseits die Gesundheit von Mensch und Tier gewährleisten und andererseits negative Auswirkungen auf die Umwelt verringern“, sagt Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Mit der Initiative „Nachhaltige Pharmazie“ werden praxisnahe Lösungsansätze dieses globalen Problems von der DBU fachlich und finanziell gefördert. Ergebnisse von erfolgversprechenden Projekten wurden jetzt bei einem DBU-Forum mit Experten aus Wissenschaft, Politik, Tiermedizin und Agrarbranche beleuchtet und diskutiert.
Antibiotikaresistenzen globale Bedrohung für Mensch und Tier
Seit einigen Jahren beobachteten Experten, dass sich weltweit bakterielle Krankheitserreger ausbreiteten, die gegen Antibiotika weniger empfindlich oder völlig resistent seien, betonte Bonde. Mit den verfügbaren medizinischen Mitteln seien sie kaum noch zu bekämpfen. Mittlerweile stelle die Antibiotikaresistenz eine globale Bedrohung in der Human- und Tiermedizin dar. Hinzu komme, dass das Übertragen resistenter Bakterien zwischen Mensch und Tier wechselseitig möglich sei. Dafür verantwortlich seien der unsachgemäße und übermäßige Gebrauch von Antibiotika sowie Hygienemängel in der Human- und Veterinärmedizin. In der Nutztierhaltung und Lebensmittelproduktion bereite das Ausbreiten von Antibiotika-Resistenzen ebenfalls Probleme. Sie erschwere nicht nur das Behandeln von Tieren, sondern habe auch nachteilige Folgen für den Tierschutz und führe zu wirtschaftlichen Einbußen für Tierhalter. Nicht zuletzt stelle auch die Kontamination von Lebensmitteln durch resistente Erreger für die Verbraucher ein Risiko dar. Die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen habe auch enorme wirtschaftliche Folgen. Das Weltwirtschaftsforum zähle die Antibiotika-Resistenz mittlerweile zu den größten Risiken für die Weltwirtschaft. Prognostiziert würden steigende Kosten durch die Behandlung resistenter Infektionserreger und erhöhte Morbiditäts- und Mortalitätsraten in den nächsten Jahren. Dass die Gesamtmenge der in der Tiermedizin abgegebenen Antibiotika zwischen 2011 und 2017 um 57 Prozent zurückgegangen sei, ändere am Grundproblem nur bedingt etwas, so Bonde.
Körpereigene Milchsäurebakterien als Antibiotikaersatz bei Milchkühen
„Bei der Milchviehhaltung werden ähnliche antibiotische Wirkstoffe wie beim Menschen eingesetzt“, erläuterte Prof. Dr. Volker Krömker, Fachtierarzt für Milchhygiene an der Hochschule Hannover beim DBU-Forum. Eine bakterielle Entzündung der Milchdrüse, die sogenannte Mastitis, sei bei Tieren, die Milch geben verbreitet. Um zu erforschen, wie eine antibiotische Behandlung vermieden werden kann, untersuchte der Wissenschaftler die natürliche Abwehr innerhalb der Milchdrüsen der Kühe. Diese Abwehr bestehe unter anderem aus „guten“ Milchsäurebakterien. Innerhalb des von der DBU fachlich und finanziell geförderten Projekts entwickelte er einen Mix dieser „guten“ Milchsäurebakterien, der das Eindringen und das Vermehren der „schlechten“ Entzündungsbakterien in der Milchdrüse bestmöglich verhindert. Tests hätten ergeben, dass an Mastitis erkrankte Kühe durch eine derartige innovative Milchsäurebakterien-Behandlung gleichermaßen gesund geworden seien wie durch die herkömmliche antibiotische Methode, aber keine Unverträglichkeiten festgestellt worden seien.
Bakteriophagen-Cocktail hilft gegen Infektionskrankheit bei Geflügel
Eine weitere praxistaugliche Alternative zu Antibiotika wurde durch ein von der DBU fachlich und finanziell gefördertes Projekt in der Geflügel-Haltung gefunden. Bei einer bakteriellen Infektionskrankheit bei Geflügel, der Colibacilose, kommt es in den Organen der Tiere zu einer übermäßigen Vermehrung des Bakteriums Escherichia coli. Bisher werde wegen der vergleichsweise hohen Sterberate eine schnelle antibiotische Behandlung der Tiere durchgeführt. Allerdings gebe es bereits Resistenzen. Innerhalb des Projekts habe das Unternehmen PTC Phage Technology Center aus Bönen (Nordrhein-Westfalen) die Wirkung von Bakteriophagen getestet, natürliche Widersacher von Bakterien, die Bakterien sehr spezifisch abtöten könnten. Für Zellen höherer Lebewesen sind die Phagen unschädlich.
Medizinische Maßnahmen und Tierhaltung verbessern
Um auch zukünftigen Generationen Zugang zu sicheren und wirksamen Antibiotika zu ermöglichen, rät die DBU in ihrer Fachinformation „Arzneimittelrückstände in der Umwelt“, unnötige Antibiotikaverordnungen abzustellen sowie Hygiene- und Vorsorgemaßnahmen zu verbessern. In der Tierhaltung müssten Stallmanagement, Abluftmanagement, Herdengröße sowie die Verabreichungspraxis der Arzneimittel über Futter beziehungsweise Tränkwasser überdacht und gegebenenfalls geändert werden.
Ansprechpartner bei fachlichen Fragen zum AZ 31833; Hochschule Hannover: Prof. Dr. Volker Krömker, Telefon: 0511|92962205
Ansprechpartner bei fachlichen Fragen zum AZ 32726; PTC Phage Technology Center GmbH: Dr. Hansjörg Lehnherr, Telefon: 02383|919174